„Manchmal bin ich so im Geschehen, dass ich wirklich allen einen Mord zutraue“ – ein Interview mit Isabella Archan
Edwina Teufel soll eigentlich nur eine Auszeit von ihrem Alltag als Ermittlerin bei der Wiener Polizei nehmen – und wird dann prompt in einen dubiosen Todesfall am idyllischen Gardasee verwickelt: Der Wiener Chefinspektorin wird von der Polizeitherapeutin geraten, eine Pause zu machen, weswegen sie sich für ein Jahr in Sirmione entscheidet. Aber dort nur das süße Nichtstun zu genießen, liegt nicht in Edwinas Interesse und sie arbeitet für ein paar Stunden in einem lokalen Fundbüro. An einem Tag wird dort eine Schlange abgegeben und am nächsten Tag wird der Schlangenfinder – ein bekannter Eistüten-König – tot aufgefunden. Edwina kann es nicht lassen und mischt sich sofort tatkräftig in die Ermittlungen der Polizia ein.
Wir sprechen mit der Autorin Isabella Archan über die Wiener Ermittlerin, Urlaub am Gardasee und über den Stellenwert von Schlangen:
Liebe Isabella, deine Protagonistinnen finden wir eigentlich eher in Deutschland oder Österreich: Die MörderMitzi und Agnes Kirschnagel ermitteln in Kufstein, auf der Donau, in den Alpen und Willa Stark und Leocardia Kardiff lösen ihre Fälle in Köln. Woher kam die Idee, die Wienerin Edwina Teufel in eine Auszeit an den Gardasee zu schicken?
Der Gardasee war schon in meiner Kindheit ein Ziel meiner Familie, wenn Kurzurlaub angesagt war. Meine Mutter war ein großer Italien-Fan, hat in ihrer Jugend zwei Jahre in Rom gelebt. Und als ich vor nicht allzu langer Zeit wieder ein paar Tage am Lago war, dachte ich, wenn ich je eine Auszeit bräuchte, wäre das mein Fleckchen…. Schwupps – die erste Idee von Edwina Teufel war da.
Wir finden uns also gemeinsam mit Edwina und ihrem Lebensgefährten Antonio „Toni“ Russo in Sirmione wieder, aber anstatt ihnen beim gemütlichen Pizzaessen und Aperoltrinken im Sonnenuntergang zuzuschauen, werden wir mit Edwina in eine geheimnisvolle Villa, in den Keller eines Fundbüros oder zu einem Tortellinifestmahl geschickt. Nur am Strand liegen ist also eine klare Fehlanzeige. Trotzdem ermitteln wir in den schönen Gassen des Städtchens, an den Küstenstraßen des Gardasees und im Schatten beeindruckender Sehenswürdigkeiten. Kannst du uns an der Stelle einen Gardasee-Tipp geben? Und kanntest du Sirmione bereits davor und hattest das Potenzial direkt im Kopf oder musstest du erst recherchieren und selbst vor Ort sein, um dir ein Bild zu machen?
Ich bleibe bei Sirmione und der Umgebung. Bis man alles gesehen und genossen hat, braucht es eine Weile. Schon allein, weil es sich lohnt, viele Pausen einzulegen mit Eis schlecken, Cappuccino trinken, Tortellini essen. Natürlich am Strand die Seele baumeln zu lassen, zu schwimmen in diesem seidigen Wasser – hach, jetzt würde ich gerne sofort wieder hinfahren. Limone kann ich auch sehr empfehlen. Wobei es am Gardasee kein Plätzchen gibt, das nicht schön ist, finde ich.
Ich habe aber selbst in San Martino della Battaglia logiert. Ich bin auch nach Sirmione und zurück täglich alles zu Fuß abgelaufen, wie Edwina. Es ist erholsam, beeindruckend und schlichtweg schön. Die Aussicht, die Luft, der Lago – herrlich. Die vielen Eisdielen waren ebenso eine Inspiration, wie auch die Burg und die Strände und die Altstadt und, und, und…. Man kann sagen, dass die Geschichte in meinem Kopf mit jedem Schritt klarer wurde. Recherche braucht es zusätzlich allerdings immer. Eine Schulfreundin, die in Italien lebt, hat mir geholfen. Ein Commissario, der am Gardasee zu Hause ist, eine Rechtsmedizinerin und zwei tolle Krimi-Kolleginnen haben mir bei Rückfragen ebenso zur Seite gestanden.
Übrigens liebe ich es, spazieren zu gehen und meine Fantasie laufen zu lassen. Dabei sprudeln die Ideen wie ein Springbrunnen. 😊
Isabella Archan ist in Graz geboren und betrat nach ihrer Schauspielausbildung die Bühnen von mehreren großen Häusern, wie u.a. dem Wiener Volkstheater. Doch nicht nur vom Zuschauerraum aus kann man Archan beobachten, sondern auch auf den Bildschirmen: In Serien wie der „Lindenstraße“ oder dem „Tatort Köln“ ist sie zu sehen. Von ihren Engagements in Krimiserien zog es die, in Köln lebende, Autorin in die Welt der Bücher. Seit 2014 führt Archan hier selbst Regie, darunter auch in der Reihe um die „MörderMitzi“.
Bevor wir uns näher mit deinen Figuren beschäftigen, noch eine persönliche Frage an dich: Du bist nicht nur Autorin, sondern auch Schauspielerin und kombinierst die beiden Bereiche gerne, wie man bei deinen MordsTheaterLesungen sieht. Fließt auch beim Schreiben selbst das Schauspiel mit ein?
Oh ja. Ich gehe an die Bücher über die Figuren und deren Charaktere. Ich beobachte gerne, lausche im Café oder im Zug den Gesprächen, höre mir Geschichten von Menschen an, die viel erlebt haben. Dann versetze ich mich, wie bei Theaterrollen, in die Romanfiguren, spiele quasi bis zur kleinsten alles innerlich nach. Am Ende lote ich meine eigenen Tiefen aus. All das ist mit viel Spaß und Freude verbunden.
Dazu kommt, dass ich bei meinen MordsTheaterLesungen zu dem jeweiligen Krimi den direkten Kontakt mit dem Publikum, mit meiner Leserschaft, haben kann. Das macht mich jedes Mal sehr glücklich.
Edwina ist eine sehr eigenwillige und auch impulsive Persönlichkeit, insbesondere, was das Treffen von Entscheidungen angeht. Das merken wir beispielsweise öfters bei ihren Begegnungen mit Commissario Adriano Alceste oder wenn sie auf eigene Faust etwas ohne Toni unternimmt. Gab es Momente beim Schreiben, wo Edwina dich überrascht, eine andere Richtung angegeben hat, als du geplant hattest?
Bei Edwina wirklich einige. Ihr Charakter ist wunderbar eigensinnig und doch immer sehr mitfühlend. Eine sympathische Mischung, die mich während der Arbeit laufend berührt hat. Dazu kommt die Magie des Schreibens, wie ich es nenne. Der Plot ist fertig, die Auflösung ist klar – ich setze mich an das Manuskript. Und schon entwickeln die Figuren ein Eigenleben, das mich die Geschichte anders als geplant weiterführen lässt. Ich werde überrascht und in neue Richtungen gelenkt. Bei Edwina war das eine laufende Zusammenarbeit zwischen ihr und mir könnte man sagen…. sie hat sich meistens durchgesetzt. 😊
Deine Figuren stehen allesamt in komplexen, geheimnisvollen Beziehungen zueinander: Da gibt es Edwinas Chefin Rosa Rinaldi und ihren Enkel Bruno, der in Schwierigkeiten steckt, aber Edwina trotzdem hilft. Den ermordeten Eis- und Hotelkönig Giovanni di Levia, der scheinbar überall irgendwie verwickelt war und seine Exfrau Greta Galli. Dann Felix Stacherer und Luis Brand, die Zeugen, die sich gegenseitig decken könnten. Schließlich die Polizeibeamt*innen Commissario Alceste, der Edwina nicht einbeziehen kann (oder will) und Ispettore Punta, die flott und ehrgeizig ermittelt. Und natürlich mittendrin Edwina und Toni, die sogar immer wieder selbst in Gefahr sind. Waren die ganzen Verstrickungen so geplant oder haben sich die Beziehungen organisch beim Schreiben entwickelt? Wie hast du den Überblick behalten?
Beides. Den Überblick zu behalten ist wichtig, damit sich all die Spuren und Möglichkeiten am Ende bei einem Lösungspunkt finden. Ich habe einen Plan, aber überprüfe laufend, wenn sich andere Wendungen ergeben. Da ich ganz in die Geschichte eintauche, kann ich auch stets mit den Figuren mitgehen und ihren neuen Wegen folgen. Die Verstrickungen der einzelnen Charaktere machen die Spannung aus. Manchmal bin ich so im Geschehen, dass ich wirklich allen einen Mord zutraue. Total gerne schreibe ich Kapitel aus der Sicht der Täterfigur, was richtig faszinierend ist.
Schlangen haben, wie der Titel ja schon irgendwie vermuten lässt, eine ganz zentrale Bedeutung in deinem Roman. Edwina trägt selbst den Spitznamen „Zornnatter“ und kommt im Laufe ihrer Zeit in Sirmione immer wieder mit ihren Namensgebern in Kontakt. Keine Spoiler, aber: Wir treffen auf viele Schlangen in unterschiedlichen Formen, die viele unterschiedliche Zwecke haben. Edwina ist diesen eigentlich auch nicht abgeneigt. Wie sieht es bei dir aus? Sind Schlangen missverstandene Tiere oder sind die Angst und der Ekel gerechtfertigt, den viele Menschen vor ihnen haben?
Früher hatte ich Angst vor Schlangen. Dann habe ich mich mit ihnen immer wieder beschäftigt, was mir eine andere Sicht auf diese, für die Natur so wichtigen, Tiere gegeben hat. Dazu kommt, dass es am Gardasee jede Menge Schlangen unterschiedlicher Art gibt. Edwinas Kollegenschaft in Wien hat ihr den Spitznamen „die Zornnatter“ sogar liebevoll gegeben, weil sie bei Ungerechtigkeiten stets wütend wird und sich bei ihren Kriminalfällen richtig festbeißen kann. Und sie hat ein Herz für die nicht so knuddeligen Spezies auf der Welt. Ich selbst liebe auch Hunde, Katzen, Pferde, Vögel usw., aber ich gehe mit Edwina: Respekt verdienen alle Lebewesen.
Abschließend noch eine kurze Frage: Sehen wir Edwina bald wieder ermitteln oder bleibt sie zunächst einmal in ihrer Auszeit?
Ich glaube, wer Edwina Teufel kennenlernt, dem wird schnell klar, dass sie einfach nicht anders kann, als sich bei möglichen Verbrechen einzumischen – Auszeit hin oder her 😊 – Und ich selbst plane gerade wieder ein paar Tage am Gardasee ein….Oh, jetzt hab ich ja fast schon zu viel verraten…
Zum neuen Buch
Hast du jetzt Lust bekommen, mit der ebenso eigenwillig wie liebenswerten Edwina auf Ermittlungstour am Gardasee zu gehen und nicht nur La Dolce Vita sondern auch La Vita Pericolosa zu erleben? „Die Schlange von Sirmione“ ist überall erhältlich, wo es Bücher gibt. Urlaubsfeeling (trotz Mordfall) inklusive!