„Wenn ich alles immer nur bierernst nehmen würde, könnte ich nur noch weinen.“ Interview mit Franziska Singer und Amrei Baumgartl vom Podcast „Darf’s ein bisserl Mord sein?“
„Darf’s ein bisserl Mord sein?“ fragen Franziska Singer und Amrei Baumgartl ihre Hörer*innen jeden Montag in ihrem gleichnamigen True-Crime-Podcast. Mit viel Wiener Schmäh sprechen die beiden über kuriose, ungelöste und längst vergessene Kriminalfälle aus der ganzen Welt und quer durch die Geschichte. Alles, was in den Montagsfolgen keinen Platz findet, wird am Donnerstag im „Extrablatt“ besprochen: Skurriles, Lustiges und Brandaktuelles – Hauptsache mit Bezug zu Verbrechen und Kriminalität.
Franziska, wie und wo findest du die Fälle, über die ihr im Podcast sprecht?
Franziska: Ich habe 2018 begonnen, eine Liste von Fällen anzulegen, über die ich gerne mehr erfahren möchte. Diese Liste besteht nun aus etwa 300 Kriminalfällen aus der ganzen Welt, nach Ländern geordnet. Die sehe ich durch, und schau dann, was mich gerade besonders interessiert. Das sind zwar hauptsächlich Mordfälle, aber auch andere Verbrechen befinden sich darunter, wie der eine oder andere Bankraub. Ich versuche immer, etwas zu finden, das man noch nicht 1000-mal gehört hat.
Welche Fälle gehen euch besonders nahe?
Franziska: Fälle von schwerer Folter, oder wenn Kinder betroffen sind – das ist für mich schwer zu ertragen. In einem Fall, wo beides zusammenkam, habe ich bei der Recherche auch abgebrochen, und mir einen anderen Fall ausgesucht.
Amrei: Fälle, wo Kinder die Leidtragenden sind, sind für mich besonders schwer auszuhalten. Und Fälle, wo Täter*innen über einen langen Zeitraum ihre Verbrechen akribisch geplant und durchgeführt haben – diese eiskalte Berechnung und Vorgehensweise schockiert mich immer wieder.
Gibt es manchmal Täter*innen, für die ihr Sympathie empfindet?
Franziska: Das ist schwer zu sagen, finde ich. Jede*r hat die Möglichkeit, sich für oder gegen die Kriminalität zu entscheiden. In ganz seltenen Fällen kommt dann aber schon so ein Funke Mitleid bei mir auf. Oder ab und an sagen wir auch: Ja, das kann ich verstehen. Da geht es aber eher darum, dass sich jemand, der selbst Opfer wurde, beginnt, zu wehren.
Amrei: Sympathie für Täter*innen und deren Taten definitiv nicht – es kann sich aber durchaus eine gewisse Form von Empathie einschleichen bei manchen Fällen. Wenn z.B. aus verzweifelter Ohnmacht oder Notwehr gehandelt wird, oder wenn die Biografie der Täter*innen eine sehr traurige ist. Das entschuldet dann zwar noch immer keine Form von Gewalt (Notwehr ausgenommen), zeigt aber auch ganz deutlich, dass eine simple Unterteilung in „Gut“ und „Böse“ nicht wirklich ausreicht.
Ihr beschäftigt euch mit so vielen realen Kriminalfällen. Habt ihr das Gefühl, dass das Justizsystem gut funktioniert, was den Umgang mit Täter*innen oder den Umgang mit Opfern betrifft?
Franziska: Was ich gar nicht nachvollziehen kann, ist, wie immer noch mit Stalkern oder in Fällen sogenannter häuslicher Gewalt umgegangen wird. Hier gibt es anscheinend immer noch keinen ausreichenden Schutz für die Opfer! Auch für Straftaten, die über das Internet begangen werden, gibt es oft noch nicht ausreichende Möglichkeiten der Verfolgung, weil es kein Rechtssystem gibt, das in jedem Land dasselbe ist. Und so seltsam es klingt, aber wenn wir das All bereisen, müssen wir auch einen Weg finden, Straftaten, die dort geschehen, zu verfolgen …
Amrei: Wo es auf jeden Fall Nachbesserungsbedarf gibt, ist der Umgang mit Opfern von häuslicher Gewalt. Ein ausgesprochenes Betretungs- oder Annäherungsverbot, zum Beispiel, hindert Täter*innen ja oftmals nicht an weiterer Gewaltausübung und bietet den Opfern definitiv zu wenig Schutz.
Braucht ihr einen Ausgleich zum Thema True Crime? Wird euch die Beschäftigung mit Mord und Kriminalität manchmal zu viel?
Franziska: Mir hilft es sehr, wenn wir nach der Podcast-Aufnahme miteinander spazieren gehen, oder gemeinsam etwas essen, und den Fall noch einmal Revue passieren lassen. Und dann über etwas ganz anderes sprechen, um wieder auf andere Gedanken zu kommen! Darum haben wir auch das „Darf’s ein bisserl Mord sein? – Extrablatt“, das jeden Donnerstag erscheint, wo wir durchaus auch über lustige Fälle sprechen – wie z.B. eine Ratte, die jemandem das Frühstück gestohlen hat.
Amrei: Ein Ausgleich ist durchaus sehr wichtig und auch notwendig. Deswegen schließen wir ja auch jede Episode mit „Was Schönes zum Schluss“ ab, wo wir uns und unsere Hörer*innen auf ganz andere und leichtere Gedanken bringen. Ganz wichtig ist auch der gemeinsame Austausch mit Franziska – und natürlich ein achtsamer Umgang mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen. Manchmal braucht man dann einfach ein Stückchen Schokolade mehr. 😉
Passen Tod und Humor zusammen?
Franziska: Auf jeden Fall. Eine schreckliche Sache wird nicht weniger schlimm dadurch, dass man keine Witze darüber macht. Wenn ich alles immer nur bierernst nehmen würde, könnte ich nur noch weinen. Beim Podcast ist es uns aber wichtig, uns nie auf Kosten der Opfer lustig zu machen. Wir können aber durchaus mal über das Versagen der Ermittler einen Scherz machen – oder, wenn ein Täter sich besonders tollpatschig angestellt hat.
Amrei: Das eine schließt das andere ja nicht aus. Wir legen bei unserem Podcast großen Wert auf respektvollen Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen. Humor und eine gewisse Form von Leichtigkeit sind meiner Meinung nach allerdings äußerst wichtige Blickwinkel, um sich nicht ausschließlich auf Tragik und Tristesse zu fokussieren.
Mehr von Franziska und Amrei kannst du auf allen gängigen Podcastplattformen und natürlich auf ihrer Webseite hören: www.darfseinbisserlmordsein.com/podcast
Bei Instagram findest du sie unter @darfseinbisserlpodcast.