Leseprobe aus „Muss ich das gelesen haben?“ von Teresa Reichl
Was wir lesen, ist eben, was wir lesen. Oder? Falsch. Welcome to patriarchy! Ja, das Patriarchat hat überall Einfluss – auch auf das, was und wie wir lesen. Wie könnte es sonst sein, dass „gute“ und „wichtige“ Literatur praktisch nur von Männern geschrieben wird?! Genauer von weißen, christlichen, heterosexuellen Männern ohne Behinderung aus der „oberen Gesellschaftsschicht“. Und warum wird über andere Autor*innen behauptet, sie hätten nichts geschrieben, wenn das doch gar nicht stimmt? Teresa Reichl hat die Schnauze voll davon. Es ist an der Zeit für den nächsten logischen feministischen Schritt: Die Literatur und ihre Geschichte werden umgeschrieben. Werden divers. Werden endlich korrigiert. Wie? Mit Basics zur Literaturgeschichte, einem ausgewachsenen Alternativ-Kanon und geballtem Wissen: in verständlich und für alle!
Vorwort
Servus und willkommen in meinem Buch! Wie wild, das zu tippen. Ich bin Teresa und ich wollte dieses Buch richtig lange richtig dringend schreiben. In der Schule war ich der Deutsch-Nerd, der zum Spaß so Sachen wie Gustav Freytags Die Technik des Dramas gelesen hat. Später dann habe ich Deutsch und Englisch auf gymnasiales Lehramt studiert – und selbst da war ich noch manchmal die größte Streberin im Raum. Das muss man echt erstmal schaffen. Sosehr ich alles geliebt habe, was ich lernen durfte, so sehr habe ich mich immer schon geärgert über scheinbar unveränderliche Leselisten, immergleiche Vorgehensweisen und Blickwinkel bei der Analyse oder Interpretation und müdes Lächeln auf Fragen, die ich wohl nicht hätte stellen – oder noch besser, gar nicht erst haben sollen. Dann habe ich angefangen, mich im Internetz über literarische Klassiker aufzuregen, mich in YouTube-Videos, Instastories und TikToks über Literatur zu freuen, sie zusammenzufassen und zu versuchen, einen Kontakt zu den Leuten herzustellen, die am meisten (und unfreiwilligsten) damit zu tun haben: Jugendliche. Und sie haben geantwortet. Ihr habt geantwortet. Ihr habt mich gefragt, was ihr euch im Unterricht nicht getraut habt zu fragen. Ihr habt verstanden, was ihr zuvor im Unterricht nicht verstanden habt. Und ihr habt euch bestätigt gefühlt, weil ich die gleichen Werke wie ihr gelesen und auch verstanden habe, sie aber trotzdem teilweise scheiße finde. Das ist erlaubt, es ist sogar normal. Bücher können die größten Klassiker der Welt sein und trotzdem euren persönlichen Geschmack nicht treffen. Darüber ist ein richtiger Austausch entstanden. Viele von euch haben anschließend tatsächlich Bock bekommen, die Werke zu lesen, die für die Schule gelesen werden sollten. Was mich allerdings am meisten umgehauen hat: Ihr habt begonnen, ein Mitspracherecht einzufordern darüber, was ihr in der Schule lesen sollt.
Erwachsene sind leider gut darin, sich darüber aufzuregen, dass Jugendliche immer weniger lesen, immer weniger davon verstehen, sich immer weniger für literarische Klassiker interessieren. Die eigentlichen Fragen sind jedoch: Ist das wirklich so und, falls ja, warum? Wenn ein literarischer Klassiker ach so zeitlos ist, wieso interessieren sich dann immer weniger Leute für ihn? Wieso finden Jugendliche (sowie Erwachsene) den Zugang dazu nicht mehr? Müssen Jugendliche wirklich ohne Hilfestellung Goethe lesen können? Müssen sie sich denn unbedingt ausschließlich in die Lage von längst toten weißen Männern versetzen? Gibt es nicht vielleicht (klassische) Literatur, die einen persönlicheren Zugang ermöglicht? Was zur Hölle sind Klassiker in der Literatur überhaupt, wer entscheidet das denn? Sind die wirklich so komplett genial, wie wir glauben? Und was können wir, die Erwachsenen, Lehrkräfte und Menschen, die Literatur vermitteln, tun, um den Zugang zu Klassikern leichter und diverser zu machen?
Jetzt hat sie schon in der Einleitung „weiße Männer“ gesagt, holy shit! Wenn wir schon dabei sind, kann ich da gleich noch ein bisschen aufräumen: Das hier ist kein Männerhassbuch. Es ist auch kein Autorenhassbuch (mit einer Ausnahme, hehe). Es ist auch kein Weiße-, Christ*innenoder cis Menschenhassbuch. Das hier ist ein Patriarchat und White Supremacy-Hassbuch. Ich hasse nicht, dass weiße Männer Bücher geschrieben haben. Ich hasse, dass Frauen und alle FLINTA+-Personen (also Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und agender Personen), Bi_PoC Autor*innen (also Black, Indigenous und People of Colour), queere Autor*innen und Autor*innen, die behindert, nicht christlich oder aus der „Oberschicht“ sind, vom Schreiben, Veröffentlichen und Gelesenwerden abgehalten wurden und werden. Und, sorry not sorry, das ist die kollektive Schuld der weißen cis Männer. Lässt sich aber alles ändern (in verschiedenen Ausmaßen natürlich) und genau das soll dieses Buch zeigen.
Was wird also hier passieren? Drei Dinge im Groben. Zuerst schauen wir uns an, wozu Literatur eigentlich gut ist: Wieso gibt’s die, was tut sie, was bringt sie mir und was will die Schule damit? Was nützt mir das Analysieren und Interpretieren von Literatur fürs Leben und wieso muss ich die Epochen auswendig wissen? Solche Fragen. Im zweiten Teil nehmen wir den Schulkanon unter die Lupe, den es offiziell gar nicht gibt. Von dem außerdem immer behauptet wird, er wäre total neutral, objektiv und nach Niveau der Literatur zusammengestellt (Spoiler: Quatsch). In diesem Teil hinterfragen wir, wieso die brains hinter diesen Texten alles Männer sind, wieso die alle weiß, gebildet sind und aus den „oberen Gesellschaftsschichten“ kommen und so weiter. Und wo da die Diskriminierung steckt. Im dritten Teil werde ich dann zeigen, wen und was es da noch so gibt. Welche Werke und Stimmen verdrängt und aus dem Kanon verbannt wurden, wo die Frauen sind, die (gender)queeren Menschen, die Bi_PoC, die behinderten Menschen und so weiter. Es soll dabei auch um die Frage gehen, wie wir es vielleicht hinkriegen, dass diese Bücher auch Jugendliche (wieder) interessieren – und zwar mehr als den einen Nerd in der Klasse.
Versteht mich bitte nicht falsch: Ich liebe Literatur. Vielleicht mehr, als gut für mich ist. Ich liebe auch klassische Literatur. Nur war ich damit vor zehn Jahren schon die Ausnahme im Klassenzimmer und das ist so, so schade. Wer also einen Blog hat und bereits die Clickbait-Schlagzeile „Influencerin cancelt im Rundumschlag die ganze deutschsprachige Literatur“ vorbereitet hat, soll bitte erstmal weiterlesen. Wir sind auf derselben Seite, ich versprech’s.
Dieses Buch hier ist übrigens mit Absicht nicht in wissenschaftlichem Sprachstil geschrieben. Bücher über Literatur sind fast immer von und für Literaturwissenschaftler*innen. Und wenn Teenager keinen Bock haben, Goethe zu lesen, haben sie auch keinen Bock, einen wissenschaftlichen Aufsatz über Goethe zu lesen, komplett verständlich. Da mein Buch für alle lesbar sein soll, besonders für Jugendliche, die sich mit Literatur befassen möchten (oder müssen), gebe ich mein Bestes, mich so einfach wie möglich auszudrücken – und so, wie ich mit 16 gewollt hätte, dass es mir jemand erklärt.
Trotz aller Einfachheit will ich so genau wie möglich sein. Deshalb werde ich nur von „Autoren“ schreiben, wenn ich nur Männer meine. Genauso wie ich „Autorinnen“ nutze, wenn ich nur Frauen meine, und Autor*innen, wenn ich alle Geschlechter meine (nicht beide, alle!). Und wo man über Diskriminierung spricht, muss man ganz klar über Rassismus sprechen. Deshalb wird von weißen Autor*innen, Black, indigenous und/oder Autor*innen of Colour die Rede sein (gesammelt abgekürzt Bi_PoC). Diese sprachliche Unterscheidung macht die strukturelle, unser gesamtes gesellschaftliches System betreffende Diskriminierung sichtbar, unter der negativ Betroffene täglich leiden. Dementsprechend schreibe ich auch weiß kursiv und Schwarz groß. Das waren jetzt viele Fach- und Fremdwörter auf einmal, ich weiß. Zum Schluss ergibt das allerdings alles Sinn, trust me.
Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass ich dieses Buch als nicht-behinderte, weiße cis Frau schreibe, also aus einer sehr privilegierten Position heraus. Deshalb schreibe ich hier teilweise über Diskriminierung, die ich nie erfahren habe und nie erfahren werde, und das ist immer eine schwierige Gratwanderung. Weil ich einerseits den Raum, der mir hier gegeben wird, nutzen und möglichst viel beleuchten will – und nicht nur das, was mich persönlich betrifft. Weil ich den Raum und die Privilegien, die ich habe, auch als Verpflichtung sehe, meinen Beitrag zu leisten. Es kann schließlich nicht immer nur an negativ Betroffenen hängenbleiben, aufzuklären und auf strukturelle Diskriminierung hinzuweisen. Und das ist, was ich hier tun will. Auf der anderen Seite will ich natürlich keinen Raum einnehmen, der mir nicht gehört oder zusteht. Deshalb verlasse ich mich an vielen Stellen auf die Expertise negativ betroffener Personen.
Man könnte über jedes Kapitel in diesem Buch ein ganzes Buch schreiben – und über manche Kapitel gibt es bereits welche. Was ich hier tun will, ist: zusammenfassen und in Zusammenhang setzen. Denn Feminismus darf nicht nur darauf aus sein, weiße Frauen weißen Männern gleichzustellen, sondern er muss gegen alle strukturellen Diskriminierungen kämpfen. Wenn ich also „feministisch“ schreibe, meine ich intersektionalen Feminismus. Also einen Feminismus, der berücksichtigt und sichtbar macht, dass Menschen mehrfach marginalisiert und auch mehrfach privilegiert sein können. Nur dadurch wird eine bessere und gerechtere Zukunft für alle möglich. Vor diesem Hintergrund will ich zeigen, wer im literarischen Kanon alles nicht auftaucht, warum das so ist und dass es noch sehr viel mehr Werke gäbe, die in diesen Kanon gehören sollten. Müssen sogar. Okay? Cool.
Also, auf los geht’s los.
Los.
Der Kanon ist ein Gewohnheitstier
Ich verstehe also rein strukturell echt, wieso die meisten Werke, die man in der Schule liest, von weißen, christlichen, hetero cis Männern ohne Behinderung aus der „oberen Gesellschaftsschicht“ sind. Sie hatten in der Literatur immer schon die Oberhand, die Werke sind bekannt, die Autoren sind bekannt, und, ja, ich gebe es zu, die meisten Werke, die es gibt, sind von ihnen. Doch das ist eben nicht einfach so passiert, sondern liegt daran, dass alle anderen aktiv unterdrückt wurden. Ich kann ja aber nicht die Erste sein, der dieses Ungleichgewicht aufgefallen ist¹ – bin ich auch nicht! Bei weitem nicht. Es gibt schon so viele Bücher und Artikel und Projekte für einen diverseren Kanon. Kritik an kanonisierter Literatur gibt es also schon lange und sie wird immer lauter – nur leider kommt sie immer nur von Einzelnen und meist auch eher aus wissenschaftlichen Kreisen, wodurch sie nicht bis außerhalb dieser Grenzen dringt. Aber wieso wird denn immer noch das Gleiche gelesen, wenn man längst weiß, dass es viel mehr gibt? Der Grund, wie immer: das Patriarchat, White Supremacy und die Macht- und Diskriminierungsstrukturen, in denen wir leben. Die gibt es schon sehr lang und deswegen ist es super schwierig, sie aufzubrechen. Wir müssen aber. Vielleicht kann ich dafür ein paar Schrauben aufzeigen, an denen man drehen kann.
Ein Grund dafür, dass in der Schule immer das Gleiche gelesen wird, ist der damit verbundene Aufwand für die Lehrkräfte. Ist das Buch lieferbar? Wie teuer ist es? Gibt es Unterrichtsmaterial dazu? Gibt es Filme oder Inszenierungen online? Das alles muss man erst mal checken, bevor man ein Buch auf die Leseliste setzt. Da spielen Verlage, wie zum Beispiel der Reclam Verlag, eine große Rolle. Denn die meisten Bücher, die ich in der Schule gelesen habe, gab es als günstige Reclam-Ausgabe und das hat mir den Arsch gerettet. Sie sind klein und günstig und sie machen klassische Literatur leichter zugänglich. Und es gibt Lektüreschlüssel und Ausgaben für Schüler*innen, in denen Wörter oder Anspielungen erklärt werden. Ich besitze selbst über 100 von den Dingern² und liebe sie komplett. Natürlich gibt es noch die Hamburger Lesehefte oder andere Verlage, aber Reclam hat schon eine gewisse Oberhand – und damit auch eine große Verantwortung. Zum Beispiel gibt es beim Reclam Verlag Sonderausgaben für die größten Schulklassiker und da ist exakt eine Frau dabei: Annette von Droste-Hülshoff mit Die Judenbuche. Von den 23 Autor*innen sind auch nur fünf nicht christlich und das sind Sophokles, der im antiken Griechenland lebte, und Kafka, Schnitzler, Heine und Zweig, die Juden waren. Schwarze Menschen, indigene Menschen und Personen of Colour sind keine dabei. Genauso wenig eine (offen) queere Person, eine behinderte Person oder eine aus der „Arbeiter*innenklasse“, geschweige denn eine mehrfachmarginalisierte Person. Begründet hat Reclam das damit, dass sie sich mit ihren Programmen einfach nach den Lehrplänen richten – Ministerien aber sagen, sie orientieren sich am Reclam Verlag und damit daran, was günstig und lieferbar ist. Dabei hätten beide Seiten, also Verlage und Ministerien, die Macht, sich gegenseitig zu beeinflussen. Und entweder checken sie das nicht, oder sie wollen einfach nicht anders.
Wie ganz am Anfang des Buchs schon gesagt: Damit will ich überhaupt nicht die Lehrkräfte bashen, ich will nur betonen, dass die Verantwortung für den Schulkanon hin- und hergeschoben wird. Damit „neue“ Klassiker verlegt werden, braucht es Nachfrage. Es muss jemand anfangen – sei es eine übermotivierte Lehrkraft oder ein Kulturministerium. Auch die Verlage könnten bestimmt ein bisschen mehr Aufsehen für „neue“ Klassiker generieren, wenn sie wirklich wollen würden. Das Problem ist eben fehlendes Interesse. Der Kanon wird nicht hinterfragt, geschweige denn geändert. Viele Lehrkräfte wollen nichts lesen, bei dem es eventuell ein bisschen zu viel um Sexismus, Rassismus, Klassismus oder Ableismus geht oder einfach um marginalisierte Perspektiven. Weil das unbequem ist und Arbeit macht. Oder leider, weil immer noch viele Menschen denken, das gäbe es alles gar nicht und die jungen Leute wären alle „snowflakes“ – was natürlich kompletter Quatsch ist, wir fordern nur unsere Rechte ein. Ich versteh auch irgendwie, dass das ein bisschen viel ist alles, aber so geben wir diese Diskriminierungen halt Generation um Generation weiter anstatt sie zu bekämpfen und zu beenden. Und damit ist wirklich niemandem geholfen. Nicht den Autoren, die längst tot sind, nicht dem Unterricht oder den Lehrkräften und vor allem nicht den Kindern und Jugendlichen. Diskriminierung existiert nun mal, wir werden die nicht von heute auf morgen beseitigen können. Negativ Betroffenen zuhören und von ihnen lernen (und sie entsprechend entlohnen!), sich der eigenen Privilegien bewusst werden und sich selbst hinterfragen wären schon mal geile erste Schritte, find ich.
Ein weiterer Grund ist auch relativ simpel: fehlendes Interesse an der Sache insgesamt. Ich will der Literaturwissenschaft jetzt nicht zu nahetreten, doch für die meisten Leute ist das nicht das spannendste Feld der Welt, schon überhaupt nicht für Jugendliche. Die Diskussion darüber, was jetzt genau an Schulen gelesen werden sollte, ist eben sehr literaturwissenschaftlich. Heißt, es wird hauptsächlich an den Universitäten diskutiert, auch da mehr unter den Dozierenden als den Studierenden oder angehenden Lehrkräften. Wenn dann Artikel oder Sachbücher rauskommen, die sich mit dem Thema befassen, wer liest die? Leute, die sich eh schon sehr für Literaturwissenschaft interessieren. Und das sind nicht unbedingt die Deutschlehrkräfte (die haben wissen müssen) und auf keinen Fall die Schüler*innen. Das ist eigentlich genau, was ich mit diesem Buch will: das Thema an die Schüler*innen und jungen Menschen bringen. Weil genau ihr mir gezeigt habt, dass eine Veränderung so herum klappt.
Meine Videos im Internet hatten nie den konkreten Plan, relevant für den Deutschunterricht zu werden, wirklich nicht. Mein Konzept am Anfang, als das YouTube-Format noch „Drunk Classics“³ hieß, war, mir zwei Weinschorlen in den Kopfbahnhof zu schaffnern und über klassische Literatur zu ranten – weil ich das ein bisschen zu gern mache, weil es die Leute in meinem Privatleben herzlich wenig interessiert und auch einfach, weil halt Lockdown war und ich was zu tun brauchte. Was dann aber passiert ist, seid ihr Geilen. Ihr habt meine Videos Lehrkräften gezeigt und, noch viel krasser: Ihr habt angefangen, zu diskutieren, was ihr lesen wollt und was nicht. Meine Videos konnten so beispielsweise schon einige Klassen davor bewahren, Die Marquise von O. … zu lesen – weil ihr euch gewehrt habt! Wenn du also der eine Literaturnerd in deiner Klasse bist, der dieses Buch gelesen hat: Danke dir! Fang an, zu diskutieren! Der dritte Teil dieses Buches ist komplett voll mit Alternativen für (ich hoffe) jede Vorgabe im Literatur-Lehrplan. Niemand soll je wieder alternativlos Die Marquise von O. … oder Effi Briest lesen müssen.
In der klassischen Literatur haben wir also leider im Vergleich wirklich wenig, was nicht von weißen, christlichen cis Männern geschrieben wurde (oder wo zumindest ihr Name draufsteht). Das ist super schade, aber leider auch nicht mehr wirklich zu ändern. Es kann natürlich gut sein, dass noch ein paar Mal rauskommt, dass in Wirklichkeit die Frau des ach so großen Dichters und Denkers „genial“ war und er einfach seinen Namen auf ihr Werk draufgeklatscht hat. Oder dass noch ein paar verdrängte Werke auftauchen. Aber wir werden einfach damit arbeiten müssen, dass wir – zumindest wenn wir uns mit Klassikern beschäftigen – nicht immer eine andere Perspektive als diese haben. Da sollte es doch förderlich und wünschenswert sein, an den Stellen im Lehrplan, wo man Literatur von marginalisierten Menschen zur Verfügung hat, ebendie zu lesen. Gezielt und mit Absicht. Das heißt auch, dass man absichtlich etwas liest, was (noch) nicht zu 110 Prozent Klassiker ist wie das. Das wird sich aber erstens mit der Zeit ändern – weil was Klassiker sind, entscheiden wir, und was wir unaufhörlich lesen, wird zum Klassiker – und zweitens muss es uns das wirklich wert sein, finde ich. Wenn es sowieso Stellen im Lehrplan gibt, wo es beispielsweise um Frauen oder Menschen aus der „Arbeiter*innenklasse“ geht, dann sollten wir uns zumindest bemühen, Bücher zu lesen, die von negativ Betroffenen selber kommen. Damit nicht nur über sie gelesen und geredet wird, sondern wirklich ihre Perspektive gesehen und gelesen wird. Das wäre nicht nur schön, es ist einfach nötig.
¹ Ich find mich schon clever, aber so clever bin ich auch nicht.
² Das ist der nischigste Flex, den ich je gemacht habe, und ich bin komplett stolz drauf.
³ Das musste ich ändern, weil der Algorithmus das gehasst hat.