Kategorie: Krimi

Leseprobe: „Der König der Schweine” von Manfred Rebhandl

Kitty Muhr wiegt ein bisschen mehr als ein durchschnittliches Magermodel, und sie ist auch sonst aus gröberem Holz geschnitzt. Sie raucht und trinkt und flucht, und sie mag Kerle. Richtige Kerle. Solche mit Haaren und keine Sackrasierer.
Mit ihrer Polizeikarriere geht anfangs ebenso wenig weiter wie mit der lange ersehnten großen Liebe. Barkeeper Johnny aus der Bingobongobar, wo sie nahezu ihre gesamte Freizeit verbringt, ist es jedenfalls nicht. Dabei ist er groß, stark behaart und extrem männlich.

Manfred Rebhandl, Foto: Kurt Michael Westermann

Ja, Kitty hat es nicht leicht als einzige Frau in ihrer Abteilung und mit einem zerknitterten Boss („sein Gesicht? Jemand musste einer alten Elefantenkuh den Arsch abgezogen und ihm dort hingeklebt haben”) mit dem Wesen eines grummeligen, schlecht gelaunten, stark behaarten Arschlochs.

Doch die unerschütterliche Ermittlerin weiß sich zu helfen, mit ungebrochenem Selbstvertrauen sagt sie Rauchverboten, Dresscodes und verschlossenen Türen den Kampf an – auch in ihrem aktuellen Fall:

„Der König der Schweine”

Ich war Bulle bei der Wiener Kriminalpolizei, Abteilung Gewaltverbrechen inklusive Mord. Wir waren zuständig für den Westen, und unsere Abteilung war im fünften und letzten Stock eines desolaten Gebäudes in der Tannengasse hinter dem Westbahnhof untergebracht, zusammen mit dem Meldeamt, dem Passamt und dem Amt zur Ausstellung von Führungszeugnissen. Ein Gemischtwarenladen der Verwaltung also, und mittendrin wir.

Die meiste Zeit saß ich hier einfach nur meine Dienste ab: dreimal Nacht, zweimal frei, dreimal Tag, zweimal frei. Und so weiter. Aber besonders die Nachtdienste setzten mir immer mehr zu, weil ich dabei völlig außer Tritt kam. Es ruinierte meine Verdauung, wenn ich so unregelmäßig arbeitete und wenig schlief. Und wenn ich nicht arbeitete, dann schlief ich eben auch nicht, sondern lag wach herum und machte mir so ein paar Gedanken darüber, warum ich so oft alleine schlief. Oder ich saß bei Johnny in der Bingobongobar auf einem Hocker, hielt mich an einem Glas fest und starrte ins Leere, bis ich pinkeln musste. Hinten raus aber ging bei mir am Klo oft tagelang gar nichts mehr, obwohl ich wirklich nicht zu wenig aß. Vielleicht sollte ich auch einfach etwas anderes essen, und nicht immer nur dieses fettige und süße Zeug zwischendurch, das ich, je länger ich hier arbeitete, desto dringender benötigte. Es war nämlich das Einzige, was mich hier irgendwie glücklich machte.
Klar, hin und wieder hatte ich auch was zu tun. Dann kriegte ich einen Fall auf den Tisch, so wie die Aushilfskraft in der Küche, die Kartoffeln zum Schälen kriegt, oder die Zahnarzthelferin, die den Schlauch fürs Absaugen halten darf. Bei mir war es meistens ein betrunkener Pole oder so was in der Art, der von seinen saufenden Kumpanen im Park abgestochen worden war, und ich sollte dann herausfinden, wer es getan hatte und warum. Als wollte man mir damit sagen: Wenn du es schaffst, diesen Fall zu lösen, dann hast du schon sehr viel geschafft, Kitty!

Die Typen hier hatten irgendwie ein Problem mit mir, und ich mit ihnen.

Ich musste zur Lösung solcher Fälle nur die Überwachungskameras öffentlicher Plätze auswerten, ein paar Zeugenaussagen einholen und in Notquartieren nachfragen, ob dort einer fehlte. Und dann organisierte ich meistens noch die Beerdigung am Friedhof der Namenlosen, ich ertrug es nämlich irgendwie nicht, wenn sich niemand um die Toten kümmerte. Ich war ja nahe am Wasser gebaut, obwohl ich Judo konnte. Judo, nicht Yoga. Ich fragte mich oft: Was ist denn das für eine Welt? Du lebst, du stirbst, und dann vermisst dich niemand? Kein Papa, keine Mama, keine gesamte Verwandtschaft? Wo sind denn all die Freunde hin, die doch nach einem fragen müssten? Überall liegen sie herum, die keiner mehr haben will, mit denen niemand mehr etwas zu tun haben möchte, um die sich keiner mehr kümmert. Kommt ja immer häufiger vor! Einer weniger von denen? Ist doch scheißegal. Hundert weniger? Noch besser!

So dachten und redeten jedenfalls meine Kollegen, die allesamt Männer waren und mit denen ich die ganze Zeit zu tun hatte. Und wenn ich so einen Fall dann zu den Akten legte, hörte ich sie auf den Gängen über mich reden: „Das hat sie gut gemacht, die Muhr! Wirklich sehr gut!“ Als hätte ich mir das erste Mal die Schuhe richtig zugebunden. Und als würde ich dafür Lob verdienen!

Daran war ich natürlich selbst schuld. Ich wollte ja unbedingt einen Job haben, in dem ich mit Kerlen arbeiten konnte, denn ich mochte Kerle. Ich mochte richtige Kerle wie Johnny aus der Bingobongobar, oder welche, die tagsüber Straßen asphaltierten und nachts schwere Autos fuhren. Solche mit Haaren auf der Brust und keine Sackrasierer. Aber am Bau wollte man mich nicht haben, und zum Asphaltieren hatte ich keine rechte Lust. Also blieb mir am Ende nur die Polizei, Abteilung Gewaltverbrechen inklusive Mord. Wie aber hatte ich jemals glauben können, dass mir das Spaß machen würde

Schnell wurde mir nämlich klar, dass es bei den Bullen keine richtigen Kerle gab, sondern nur Typen mit echten Problemen. Oder mit schweren Defiziten, wie man heute auch sagt, wenn einer mit sich und der Welt überhaupt nicht mehr zurechtkommt. Die meisten Bullen fingen irgendwann an zu trinken, nahmen Tabletten oder irgendwelche anderen Drogen und starben mit neunundfünfzig, knapp bevor sie in Pension gehen konnten. Sie flüchteten sich vor ihren Problemen in eine Bar, setzten sich auf ihren Hocker und bestellten ein Glas, an dem sie sich festhielten, und dann starrten sie ins Leere, bis sie pinkeln mussten. Dabei dachten sie, sie wären so was Ähnliches wie Superman, hatten aber in Wahrheit Angst vor allem, was auf zwei Beinen herumlief, und am meisten natürlich vor Frauen. Männliche Bullen hielten einfach nichts von Frauen in ihren Reihen, aber noch weniger hielten sie von Ausländern, die sie verallgemeinernd Kameltreiber oder Kümmeltürken nannten. Oder eben Bimbos, wenn sie halt ganz schwarz waren.

So wie der, wegen dem mein Boss vorhin rausgegangen war: „Hier hängt einer im Wald!“, hieß es. „Ein junger Schwarzer! Er ist tot!“ Das war der Inhalt eines aufgeregten Anrufs, der mich vor einer Stunde erreichte. Es waren Wanderer, die den Toten entdeckt hatten, eine so genannte Jungfamilie in einem Naherholungsgebiet westlich der Stadt. Die Überraschung war groß bei den süßen Kleinen, denn einen Schwarzen hatten sie zuvor vielleicht noch nicht so oft gesehen in ihrem Leben, und ein Schwarzer hing in dieser Gegend schon gar nicht so oft im Wald herum. Wobei die Frage war, was sie mit „hängen“ meinten.

Die vielleicht wichtigere Frage aber war: Ein toter Schwarzer? In einem Wald westlich der Stadt? Das hatten wir letzte Woche schon mal, und ich musste den Bericht tippen: Arbeiter hatten die Leiche da draußen im Auffangbecken eines kleinen Wasserkraftwerks mit einer vielleicht zehn Meter hohen Mauer gefunden. Jemand hatte das Opfer mit Klebeband an einem Mountainbike festgebunden, an Armen und Beinen, und dann über die Böschung hinunter ins Wasser gestoßen. So ungefähr
musste es sich zugetragen haben. Der toxikologische Befund hatte ergeben, dass der Tote voll mit Amphetaminen war. Seine Leiche war grotesk aufgeschwemmt nach den vielen Tagen, die er da unten im Wasser getrieben war, und seine schwarze Haut war beinahe vollkommen bleich. An seinen Fingerkuppen befand sich praktisch keine Haut mehr, weil sie ihm die Fische abgefressen hatten. Und als man seine Hände vom Bike löste, fand man in der rechten ein kleines Schweinchen, so eines, wie man es zu Silvester verschenkt. Jemand hatte es ihm da reingetan, bevor er ihm die Hand am Lenker festgebunden hatte. Es war klar, dass man es finden sollte, weil es wohl eine Art Botschaft war. Aber welche?

Ich war nicht der Typ, der gerne in den Wald ging, also informierte ich meinen Boss, der schon den ersten Fall übernommen hatte. Sagte ihm, dass ich ein kleines Mädchen sei und er ein großer, starker Mann, und der Wald etwas für ihn und nicht für mich. Ich wollte nämlich lieber hier bleiben und weiter im Internet surfen (Kategorie „Autsch!“), mir die Nägel feilen und mit Susi telefonieren. Ein bisschen Nägel feilen, ein bisschen surfen, dazu rauchen und Kaffee trinken und, wenn es sich ergab, mit meiner Freundin Susi telefonieren – das stand bei mir auf dem Programm, wenn hier gar nichts los war. Das Feilen der Nägel beruhigte meinen Geist, während das Surfen mich in Stimmung brachte und Susi mich auf dem Laufenden hielt. So wie heute Morgen, als sie mir sagte, dass der eine Sternekoch immer in das Essen der zwei schwulen Schauspieler spuckte, bevor er es ihnen servieren ließ, weil er Schwule angeblich nicht leiden konnte. Angeblich! Das war das Wichtigste überhaupt gewesen, wegen dem sie mich angerufen hatte.

Nun rief Bonner aus dem Wald heraus an, von dort, wo man die Leiche gefunden hatte. Der Empfang war schlecht, aber noch schlechter war seine Laune. Mein Boss war nämlich irgendwie auch nicht der Wald-Typ, wie sich herausstellte, dort kannte er sich nicht aus, und es gab dort keine Bar, wo er sich hinsetzen und ins Leere starren konnte, bis er pinkeln musste. Und immer, wenn er sich irgendwo nicht auskannte, rief er mich an, das war so eine Angewohnheit von ihm. Außerdem war er einsam, das kam erschwerend hinzu, und er hatte wohl so ein Gefühl, dass ich es auch war. So falsch lag er damit gar nicht. Aber wie immer, wenn zwei miteinander reden wollten, die einsam waren, musste erst einer das Gespräch in Gang bringen, sonst klappte das nicht. Ich fragte: „Was ist, Boss? Geht’s Ihnen grad nicht gut?“

„Sei froh, dass du nicht sehen musst, was ich gerade sehe!“

Dass er alle mit Du anredete, die ihn umgekehrt mit Sie anreden mussten, das hatte er sich angewöhnt, als die Zeiten für ihn noch besser waren und seine Glocken noch etwas höher hingen.

„Der hängt da verkehrt herum an einer Leine“, sagte er, und ich fragte: „Wie? An einer Leine?“

„Die Leine ist zwischen zwei Bäumen im Abstand von vielleicht zehn Metern gespannt. Über einer Senke, die vielleicht drei Meter tief ist. Hast du das ungefähr vor Augen?“

„Ja, ich denke schon.“

„Dann sag mir, wie man das nennt, was diese jungen Leute heute in den Parks oft machen, wenn sie auf so einer Leine herumbalancieren?“

Ich schloss mein „Autsch!“-Fenster, zog den Stick heraus und sagte: „Slackline?“

Er sagte: „Sicher? Na okay, dann halt Slackline.“

Ich hatte so etwas schon mal im Fernsehen gesehen, denn nachts, wenn ich nicht schlafen konnte – und ich konnte selten schlafen –, schaute ich mir solche Filme an: über Segelboote, die um die Erde segelten; oder über Fallschirmspringer, die von oben herabsprangen; oder eben über solche Typen, die ihre Leine zwischen zwei Hochhäuser oder zwei hohe Felsen spannten und dann da drauf herumbalancierten, über Abgründen, die hunderte Meter tief waren, und so locker, als gingen sie darauf spazieren. Das waren schon die irrsten Typen! Manche machten es mit einem Sicherungsseil um den Knöchel, manche gingen aber auch ohne. Sie brauchten irgendwie diesen Kick, vielleicht, um dann besser schlafen zu können. Mit gutem Sex alleine schoss man sich heute nirgendwo mehr hin. Ich sagte: „Aber hören Sie, Boss: Diese Leinen sind im Park immer nur einen Meter oder so über dem Boden gespannt. Sie aber sagten, da geht es in eine Senke hinunter?“

„Ja.“

„Und darüber ist die Leine gespannt?“

„Ja. Er baumelt hier ziemlich genau in der Mitte der Senke an dieser Leine, bis dahin muss er balanciert sein. Um seinen rechten Fuß ist eine Sicherungsleine befestigt, die mit einem Karabiner an dieser Slackline geführt wird. Seine Arme hängen einen halben Meter über Grund. Jemand muss ihm gegen den Kopf geschlagen haben. Kennst du diese Geburtstagsfeiern, wo Kinder gegen Säcke schlagen, aus denen dann Süßigkeiten herausfallen?“

„Ja. Wo ist es?“

Er seufzte tief und resigniert, bevor er antwortete: „In der Nähe des Kraftwerks.“

Ich fragte: „Dann ist es eine Serie?“

Er sagte: „Ich bitte dich!“

„Wie lange hängt er dort schon, was meinen Sie?“

„Sicher ein paar Tage. Ich wünschte, es war ein Unfall.“

Ich lachte: „Im Ernst, Boss? Lassen Sie mich überlegen. Ein Schwarzer im österreichischen Bundesforst alleine mit einer Slackline? Ist es irgendjemandem aufgefallen, dass das schwarze Jugendliche in jüngster Zeit öfter machen? Sich ein einsames Plätzchen suchen und dort herumbalancieren? Und sich dann selbst den Schädel blutig schlagen, sobald sie das Gleichgewicht verloren haben? Oder sich an Mountainbikes festbinden und dann in einen See hineinfahren?“

„Warum nicht?“, sagte Bonner gereizt, bevor er wieder auf sein Lieblingsthema zu sprechen kam: „Sie sind doch mittlerweile überall!“

Schwarze. Bimbos. Neger. Es gab wenig, was Bullen mehr aufregte als diese Gruppe von Menschen, von denen sie sich einbildeten, dass sie immer mehr wurden. Dass sie uns überschwemmen würden. Dass wir wegen ihnen bald nicht mehr Herr  im eigenen Land sein würden. Wahrscheinlich schauten sich Bullen im Internet diese einschlägigen Seiten an, die auch ich mir gespeichert hatte: monstercocks.com oder bigblackcocks.com. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum sie solche Angst vor ihnen hatten und sich ihnen so dermaßen unterlegen fühlten.

„Moment“, sagte Bonner. „Da klebt ein Fünfzig-Euro-Schein an dieser Leine.“ Er atmete schwer, und ich konnte hören, wie er im Gras herumging. Wie er sich dabei eine Zigarette anzündete. Und wie er einen Schluck aus seinem Flachmann nahm. Dann sagte er: „Und hier klebt wieder so ein Schweinchen! Was soll der Scheiß überhaupt?“

Er legte auf.

Manfred Rebhandl: Der König der Schweine

 

Wir können uns Krimi-Star Thomas Raab nur anschließen, wenn er sagt:

»Manfred Rebhandl rockt. Im Grunde kenn ich keinen, der so unverblümt schreibt, ehrlich, mutig, grad raus – und irrsinnig komisch! Rebhandl war für mich schon Kult, da hab ich noch gar nicht selber ans Schreiben gedacht, und ich kann nur sagen: LESEN!«

⇒ Und zwar am besten gleich hier.

 

Anständig unanständig, enorm komisch und alles andere als politisch korrekt – wenn Kitty Muhr ermittelt, geht es nicht zimperlich zu! Wenn die unerschütterliche Amy Shumer der Kripo Wien die Bühne betritt, heißt es Köpfe einziehen und unauffällig abtreten. Denn diese Frau kann Judo! Judo, nicht Yoga!

Die ganz große Hundeliebe – Tatjana Kruse in Höchstform

Batman hat Robin, Bonnie hat Clyde – und Pauline Miller hat Radames. Doch während der Proben zur Aufführung der „Turandot“ auf der Bregenzer Seebühne geschieht es: Ein brutaler Dognapper entführt Radames! Kein Wunder, dass Pauline außer sich ist, wird sie doch sonst auf Schritt und Pfötchentritt von ihrem Boston Terrier begleitet. Der gute Radames fällt zwar immer wieder spontan ins Delirium – er leidet an der Schlafkrankheit Narkolepsie und sinkt bei emotionalem Aufruhr sofort in tiefen Schlummer –, ist aber immer an Paulines Seite, stets bescheiden und stumm. Äh. Nun ja. Reden können Hunde eben auch nicht. Aber nun ist Radames trotzdem am Wort – denn Tatjana Kruse gewährt exklusive Einblicke ins Tagebuch des narkoleptischen Hundehelden.

Und den geneigten Leserinnen und Lesern sei verraten: Die Aufzeichnungen enden kurz vor dem Moment von Radames’ Verschwinden!

*Radames Miller, Ray of the Ridgebridge

Aus dem Tagebuch des Radames*

Bregenz am Bodensee, Tag 1

Das beste aller möglichen Leben, ich führe es! Mein geliebtes Frauchen hat mich heuer mit an den Bodensee genommen, was mir sehr entgegenkommt, weil ich doch am liebsten in stehende Gewässer pinkle. Wir wohnen in einer Villa mit vielen Säulen, die ich alle schon der Reihe nach markiert habe. Mehrmals. In letzter Zeit habe ich Probleme mit der Prostata, bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Ich darf frei im riesigen Garten herumlaufen. Und wir machen Bootsausflüge nach Bregenz, wo sie mir heute begegnet ist, die Liebe meines Lebens. Sie ist wunderschön, weiß wie der Schnee … und eine Schwänin. Also, ein weiblicher Schwan. Das wird zu hochgezogenen Augenbrauen und Gerede führen, schon klar, aber ich unterscheide nicht nach Rasse oder Religion. Jede Liebe hat ihre Berechtigung! Noch zeigt sich meine Schöne spröde, aber ich werde ihr Herz gewinnen, koste es, was es wolle! Frauchen hat mich schnöde weggetragen, bevor ich mich meiner Liebsten erklären konnte, aber wir sind ja immer mehrere Wochen an einem Ort, mir bleibt also noch genug Zeit für mein Werben. Sorgen mache ich mir keine. Bitte, man schaue mich nur an! Wer könnte auf Dauer schon nein zu mir sagen!

Meinen Liebeskummer konnte ich mit Würstchen im Schlafrock bekämpfen, die ich in einem unbeobachteten Moment von einem Silbertablett im Probenraum des Festspielhauses stibitzte. Bin heute nur zweimal narkoleptisch weggenickt. Das liegt womöglich an den Handauflegungen und Aromatherapiesitzungen dieses ominösen Hunde-Energetikers namens Simian, den Frauchen für mich angeheuert hat. Ich mag ihn nicht! Aber mich fragt ja keiner …

Bregenz, Tag 2

Ich bin heute auf dem Cover der Festspielzeitung. Mit roter Samtschleife um den Hals. Sexiest Terrier Alive, wenn ich das mal selber sagen darf! Ich wünschte, meine wunderhübsche Schwanenfrau könnte mich so sehen. Während mein Frauchen probt, geht ihr Papa mit mir ins Museum. Ich darf den Blindenhund spielen. Großer Spaß! Aber mir fehlt meine geliebte Schwanenprinzessin.

Sexiest Terrier Alive und Covermodel

Bregenz, Tag 3

Vereint, endlich vereint! Ich traute meinen Terrieraugen nicht, als ich sie heute bei der Morgenrunde am Bootshaus traf. Kann es etwas Schöneres geben als Liebe, die erwidert wird?! Sie dümpelte auf den leise plätschernden Wellen des Bodensees, ich lag direkt am Ufer und sah ihr in die liebreizenden, nachtschwarzen Knopfaugen. Und dann: Er war wunderbar – der erste Kuss. Hundeschnauze auf Schwanenschnabel: die pure Ekstase. Lasst es mich in die Welt hinausbellen: Ich liebe diesen Schwan!

Als meine Liebste dann gründelte und Popöchen übers Wasser hob, konnte ich nur noch hecheln. Wuff! Doch dann fiel ich vor Aufregung wieder ins narkoleptische Schlafkoma …

Und wie spektakulär es mit Radames am Bodensee weitergeht, erfahrt ihr in Tatjana Kruses neuem rabenschwarzen Pauline-Miller-Krimi „Glitzer, Glamour, Wasserleiche”.

Leseprobe: „Interview mit einem Mörder” von Bernhard Aichner

Atemlos, gnadenlos, schnell: jetzt testlesen! Der neue Krimi von Shooting-Star Bernhard Aichner.

Exklusiv! Gehören Sie zu den allerersten Lesern des neuen Krimis von Shooting-Star Bernhard Aichner! Der Autor der internationalen Bestseller „Totenfrau“ und „Totenhaus“ hat ein neues Buch geschrieben – und es wird Ihnen den Atem rauben. Kurze Sätze, überraschende Wendungen, geniale Dialoge: Der unverwechselbare Sog, in den Bernhard Aichners Bücher ziehen, machte ihn weltweit bekannt. Aber lesen Sie selbst …

Was bisher geschah: Ex-Fußballprofi Johann Baroni, der sich nach der Sportlerkarriere aufs Wurstbratgeschäft spezialisiert hat, eröffnet einen neuen Würstelstand. Doch mitten in dem ausgelassenen, festlichen Treiben fällt plötzlich ein Schuss – und Baroni sinkt zu Boden.

Sein bester Freund, der Totengräber Max Broll, ist völlig außer sich. Doch an eines kann er sich ganz deutlich erinnern: Er hat den Schützen gesehen! Dessen ist er sich sicher. Fink, den Max verdächtigt, scheint allerdings ein harmloser Tourist zu sein. Und niemand will Max glauben.

Als er den Mörder schließlich entspannt durchs Dorf spazieren sieht, verliert Max die Beherrschung und attackiert Fink auf offener Straße. Und nun beginnt sogar seine geliebte Stiefmutter Tilda, die Polizistin ist und Max bisher immer den Rücken gestärkt hat, an ihm zu zweifeln …

7

— Was du hier machst, hilft niemandem.
— Doch, Tilda.
— Ich habe ihn überprüfen lassen.
— Und?
— Er war es nicht, er hat nichts damit zu tun.
— Das kann nicht sein.
— Er ist nur ein Urlauber aus Wuppertal, ein harmloser Pensionist. Er ist zum Wandern hier.
— Nein, nein, nein.
— Doch, Max. Egal, wie oft du es noch sagst, er war es nicht. Egal, wie dumm du dich noch anstellst, es ist Tatsache, dass er nichts damit zu tun hat. Er war sehr hilfsbereit, hat uns sogar sein Zimmer durchsuchen lassen. Keine Waffe, kein Motiv, gar nichts. Es gibt keinen einzigen Grund, warum er getan haben sollte, was du ihm vorwirfst. Keinen.
— Doch, Tilda.
— Es reicht wirklich, Max. Die Kollegen haben Recht, du hast den Bogen überspannt.
— Ich habe es in seinen Augen gesehen, Tilda.
— Dass er ein guter Mensch ist, oder was? Das ist er nämlich, er hat keine Anzeige gegen dich erstattet.
— Warum nicht?
— Weil er seine Ruhe will. Er hat gesagt, dass er auch schon Dinge gemacht hat, die ihm nachher leidgetan haben. Du hast großes Glück, dass du an ihn geraten bist. Ein anderer würde dich durch Himmel und Hölle klagen.
— Irgendetwas stimmt hier nicht.
— Mit dir stimmt etwas nicht, Max. Dein Freund liegt im Krankenhaus, er braucht dich, und du führst dich hier auf wie ein kleines Kind. Dich kann man keine Sekunde lang allein lassen.
— Es ist traurig, dass du mir nicht glaubst.
— Soll ich dir sagen, was traurig ist, Max?
— Was?
— Dass du nicht erwachsen werden willst.
— Ich weiß, was ich gesehen habe.
— Und ich weiß, dass ich keine Lust mehr habe, ständig Feuerwehr für dich zu spielen. Das ist das Leben, Max, und kein Spiel. Du kannst nicht immer nur tun, was dein Bauch dir sagt.
— Doch, Tilda, das kann ich.

So gerne er sie hat. Er schiebt den Suppenteller von sich und steht auf. So gerne er sie überzeugen würde, er lässt es sein. Kurz umarmt er sie noch, dann geht er. Er muss sich alleine um die Sache kümmern, Tilda wird ihm nicht helfen, ihm nicht glauben, egal, wie laut er noch schreit, dass dieser Mann es war. Konrad Maria Fink. Ein Deutscher, Musiker im Ruhestand, ein Unschuldslamm. Ein Name wie ein Faustschlag. Fink. Was für ein abgebrühter Kerl, was für ein Lügner. Keine Anzeige gegen den Verrückten, der ihn verprügelt hat, keine Probleme mit der Polizei, kein böses Wort. Der Fink will seine Ruhe. Nur ein Tourist.

Max weiß, in welcher Pension er wohnt, er weiß, dass es da keine Vorstrafen gab in seinem Leben, mehr hat er aus Tilda nicht herausbekommen. Der freundliche Konrad Maria Fink hat sie an der Nase herumgeführt, hat alle glauben lassen, es sei Unsinn, was Max sagt. Sinnlose Gewalt, die er ablehne. Konrad Maria Fink hat nichts damit zu tun. Alle sind sich einig. Nur Max sagt etwas anderes.

Er besteht darauf. Weil dieses Bild nicht weggeht. Der Mann mit der Waffe. Konrad Maria Fink in Lederhosen, mit kariertem Hemd. Er war es. Und Max wird dafür sorgen, dass es die Welt erfährt. Tilda, die dämlichen Polizisten, die ihm fast den Arm gebrochen haben, Baroni. Er ist es ihm schuldig. Max wird sich darum kümmern, dass derjenige bestraft wird, der auf Baroni geschossen hat. Warum auch immer Fink es getan hat. Ob er ein Auftragsmörder ist, getarnt als Tourist, oder ein Fan, der in die Geschichte eingehen will, Max wird herausfinden, was dahintersteckt. Warum Baroni Schläuche im Mund hat, warum er nicht von alleine atmet und mit ihm Schnaps trinkt. Kein Wasser, sondern Schnaps. Vertraut mit seinem Freund. Betrunken, umarmt, bald wieder. Max betet dafür, jede Sekunde, in der er an ihn denkt. Bald werden sie die Gläser wieder gemeinsam füllen, im Würstelstand sitzen und hinaus auf den Dorfplatz schauen. Und sie werden lachen über das, was passiert ist. Darüber, dass Baroni dem Teufel von der Schippe gesprungen ist. Dem Mann mit den Wanderstöcken und den kalten Augen.

Konrad Maria Fink. Pension Seerose, auch wenn da weit und breit kein See ist. Fink hat dort ein Zimmer gemietet. Tilda hat ihn zwar angefleht, vernünftig zu sein, nicht noch einmal auszurasten, sich von ihm fernzuhalten, doch Max denkt nicht daran. Er wird Fink besuchen, er wird mit ihm reden und herausfinden, warum das alles passiert ist. Warum er da ist. Geschossen hat. Warum er nicht einfach davonläuft.

Max geht die Dorfstraße hinunter, am Kindergarten vorbei, schnell. Bevor der Fremde abreist, will er es hören. Max will wissen, ob er Recht hat. Er will wissen, warum dieser Fremde Baroni das angetan hat. Mit ihm reden. Max beeilt sich. Nur noch Fink ist wichtig. Wie ein Strohhalm ist er, an dem er sich festhält. Weil der Wind geht. Weil alles rund um ihn herum zusammenbricht.

Weil Baroni dabei ist zu sterben.

 

8

Wieder keine Angst. Wie er auf dem Baumstamm sitzt und Pilze säubert. Ein Korb auf seinem Schoß, ein Taschenmesser in seiner Hand, er ist ganz allein. Da ist niemand, der dem deutschen Wanderer helfen würde, keine Polizisten, keiner, der ihn beschützt. Da sind nur Max und Fink.

Mitten im Wald auf einer Lichtung zwei Männer. Ein Gespräch, keine Gewalt. Fink bleibt sitzen, als er Max sieht, keinen Augenblick lang will er aufspringen und rennen, das Einzige, das ihm wichtig scheint, sind die Steinpilze, um die er sich hingebungsvoll kümmert.

Max hat ihn nicht angetroffen in der Pension, die Wirtin hat ihm gesagt, dass ihr Gast im Wald unterwegs sei. Sie habe ihm Tipps gegeben, wo er Pilze finden könne. Max ist ihm gefolgt, über drei Stunden lang hat er ihn gesucht. Kurz bevor er umkehren wollte, hat er ihn entdeckt. Konrad Maria Fink. Sonnenstrahlen, die auf den moosigen Boden fallen, friedlich wirkt alles, ein älterer Herr, der sich die Zeit vertreibt. Nichts scheint bedrohlich, alles, woran Max beim Aufstieg gedacht hat, klingt plötzlich lächerlich. Dass er auf einen Mörder treffen würde, auf einen Psychopathen, dass es wahrscheinlich zu einem Kampf kommen würde. Nichts davon. Max nähert sich, er geht auf ihn zu, die Beute liegt wehrlos vor ihm, er muss nur noch zubeißen. Keine Waffe, die auf Max gerichtet ist, kein böses Wort. Nur ein deutscher Tourist im Wald. Konrad Maria Fink lächelt. Er macht den Mund auf.

— So sieht man sich wieder.
— Du wirst dich nicht rühren, Fink. Und das Messer bleibt, wo es ist.
— Keine Angst, mein Guter.
— Ich habe keine Angst.
— Dann setzen Sie sich doch. Es ist wirklich schön hier, ein herrliches Fleckchen Erde.
— Was soll das?
— Die Hausdame hat mir gesagt, dass es hier die besten Steinpilze der ganzen Region gibt. Eigentlich ist noch keine Pilzsaison, aber hier findet man schon welche. Sie will sie am Abend für mich zubereiten. Eine reizende Frau ist das.
— Hör auf damit.
— Übrigens ist auch Ihre Mutter ein überaus entzückendes Wesen. Sie hat sich sehr für Sie eingesetzt.
— Aufhören, habe ich gesagt.
— Sie hat mich gebeten, von einer Anzeige abzusehen. Was natürlich gar nicht nötig gewesen wäre, weil ich ja ohnehin nie vorhatte, Ihnen Probleme zu bereiten. Ich denke mir, es muss sich alles um ein großes Missverständnis handeln. Ein Trugschluss, der Sie quält.
— Du weißt, warum ich hier bin.
— Ich vermute, es ist wegen Ihres Freundes. Sehr tragisch, was da passiert ist, ich habe es ja mit eigenen Augen mit ansehen müssen.
— Du hast geschossen.
— Nein, das habe ich nicht.
— Ich habe es gesehen.
— Ihre Mutter sagt, dass Sie wohl etwas durcheinander waren an diesem Tag.
— Ich weiß, was ich gesehen habe.
— Sie sind also davon überzeugt, dass ich auf Ihren Freund geschossen habe.
— Und warum sollte ich so etwas tun?
— Sag du es mir. Irgendeinen Grund muss es geben.
— Egal, wie oft Sie es noch wiederholen. Ich habe nichts damit zu tun.
— Ich kriege dich.
— Sie sind hartnäckig, das gefällt mir. Aber wie gesagt, Sie werden sich die Zähne an mir ausbeißen.
— Du warst es.
— Sie können mich verprügeln, wenn Sie wollen, Sie können mich foltern, es wird sich aber nichts daran ändern, dass ich es nicht war. Deshalb werde ich jetzt meine Pilze nehmen und wieder hinunter ins Tal marschieren. Anschließend werde ich herrlich essen und morgen werde ich mit dem Zug weiter nach Italien fahren.
— Du wirst nicht einfach abhauen.
— Abfahrt ist um elf Uhr siebenundzwanzig. Sie können mich ja begleiten, wenn Sie wollen.
— Warum sollte ich?
— Am liebsten würden Sie mich in der Luft zerreißen, stimmt’s?
— Ja.
— So lange, bis ich Ihnen sage, was Sie hören wollen.
—  Genau.
— Ich darf Ihnen einen Rat geben, mein Lieber. Lassen Sie es gut sein. Wie ich gehört habe, hat Ihr Freund überlebt, er wird das Ganze überstehen und es wird Gras über die Sache wachsen. Und wer auch immer dafür verantwortlich ist, er wird nicht wiederkommen.

Max steht da und schaut. Hört zu. Versucht einzuordnen, was da geschieht, was Fink mit ihm macht. Er nimmt ihm die Fackel aus der Hand, macht ihn wehrlos. Mit welcher Ruhe er dasitzt und ihn entwaffnet, mit einem Lächeln, mit klaren Worten, die keinen Zweifel offen lassen. Konrad Maria Fink ist sich sicher. Nichts kann ihm passieren, keiner außer Max hat ihn gesehen, niemand sonst hat auf ihn geachtet, die Polizei hat alle befragt. Da ist nichts. Nur das, was zwischen Max und diesem Mann ist. Diese Gewissheit, die Max antreibt, die mit jedem Wort größer wird, das aus dem deutschen Mund kommt. Diese Gelassenheit mitten im Wald, diese innere Ruhe, die wehtut. Ich weiß, dass du es warst. Dass du mir drohst. Wenn ich dich nicht in Ruhe lasse, werde ich es bereuen. Du wirst auch mich umbringen. Das willst du mir doch sagen, oder?
Max hat es zwischen seinen Worten gehört. Laut und deutlich. Doch da ist nichts, das es beweisen würde, es sind nur die Gedanken eines kleinen Gemeindearbeiters, die nur er kennt. Von außen ist es nur ein verzweifelter Versuch, einen Schuldigen zu finden, der für das Drama verantwortlich ist. Nichts sonst. Max steht da und schaut zu, wie Fink aufsteht und geht. Einmal dreht er sich noch zu ihm um, einmal lächelt er noch. Dann verschwindet Fink im Wald.

 

 

 

Na? Auf den Aichner-Geschmack gekommen?

Weiter geht’s in „Interview mit einem Mörder“ – und alle Infos zum Buch findet ihr hier.

Kroatien-Krimi: Sonne, Meer und Mord

Alle, denen es im Urlaub nicht spannend genug zugehen kann, sollten Elena Martell in „Mörderhitze” kennenlernen. Anekdoten, Bauwerke, Legenden – die patente Reiseleiterin kennt sie alle, doch wo sie auch hinfährt, mysteriöse Todesfälle und Verbrechen verfolgen sie. Auch an der malerischen Küstenlinie Kroatiens, wo sie diesmal eine Kreuzfahrt organisieren soll, lässt die erste Leiche nicht lange auf sich warten …

Egal ob am Sandstrand von Split, in der Altstadt Dubrovniks, auf Balkonien oder dem heimischen Sofa – Elena Martell bringt Sie in Urlaubsstimmung und lädt ein, den Alltag zu vergessen und sich in wärmere Gefilde entführen zu lassen. Dorthin, wo der Gesang der Zikaden, der schwere Dingač und das sanfte Schunkeln des Bootes für wohlige Stimmung sorgen, und dalmatinisches Flair in der Luft liegt. Doch lassen Sie sich täuschen, auch in diesem Urlaubsidyll dauert es nicht lange, bis der erste leblose Körper im Tunfischbecken treibt.

Hier gibt es Kroatien fürs Handgepäck. Folgen Sie uns – wie auch schon bei Elenas Sizilien-Reise – auf die Stationen einer kleinen literarischen Sightseeing-Tour und werfen Sie mit Autorin Eva Gründel einen Blick auf die ersten Stationen einer lesenswerten Rundreise!

Zadar

Nicht zufällig wusste Giorgio über die verwirrende, blutige Geschichte in diesem Winkel Europas Bescheid. Sein Großvater hatte ihm viel vom alten Zadar erzählt, von der Eleganz der italienischen Palazzi, jeder einzelne eine Verbeugung vor dem venezianischen Lebensstil, dem die Oberschicht in der einstigen Hauptstadt Dalmatiens damals huldigte. Vom bescheidenen Wohlstand und dem eigenen Häuschen, zu dem es selbst ein kleiner Angestellter wie er hatte bringen können. Von der Flucht über die Adria nach Triest, von den Auffanglagern für Abertausende Italiener aus Istrien, die es wie er und seine kleine Familie geschafft hatten, den Massakern zu entgehen.

Die Kornaten

„Worauf du dich verlassen kannst. Die Spur führt in die Kornaten. Ich habe mich schlau gemacht. Die 89 Inseln und Felsen, auf denen heute keiner mehr wohnt, wurden 1980 zum Nationalpark erklärt. Noch in den 70er Jahren war das anders, da lebten einige Familien in dem Archipel. Vom Fischfang und dem, was ihre mit Zisternenwasser mühsam bewirtschafteten Gärten hergaben. Oliven, Feigen und Weinstöcke, dazu ein paar Ziegen und Schafe, wir können uns gar nicht vorstellen, wie arm die Leute waren. Das ganze Gebiet eine einzige Karstlandschaft. Karg ist dafür nur ein Hilfsausdruck. Andererseits ist das Meer blitzsauber und so fischreich wie sonst nirgendwo in der Adria. Und irgendwo liegt da unten auf dem Meeresboden das, was wir finden wollen.“

Split

Nach der Römerzeit wurde der Diokletianpalast in eine bewohnte Festung umgewandelt. Nichts anderes ist bis heute die Innenstadt von Split. Der Palast eines Kaisers. Sehen Sie da drüben das Café Luxor? Hier standen einst drei kleine Tempel. Und dort drüben befanden sich die Eingänge zu den kaiserlichen Gemächern.“
Francesca drehte sich um die eigene Achse und deutete auf die Kathedrale, die Säulen und das Winkelwerk der umliegenden Gassen. „Wenn ich Sie richtig verstehe, war das alles hier ein einziger Palastkomplex? Errichtet für nur einen Mann und sein Gefolge? Unglaublich!“
„Und wenn schon! Dafür brutzelt er jetzt in der Hölle. Der mit den letzten ganz schlimmen Christenverfolgungen, das war doch Diokletian, oder?“ Ausnahmsweise äußerte sich Titus nicht auf Latein.

Mit diesem Kroatien-Krimi kann die Reise starten – sowohl im wörtlichen, als auch übertragenen Sinne – „Mörderhitze” ist Unterhaltung und Information von ihrer spannendsten Seite. Solltet ihr euch Elenas Reisegruppe nach Sizilien in „Mörderküste” noch nicht angeschlossen haben, gibt es hier eine kleine Rundreise für euch!

Next stop – England. Aber das ist eine ganz andere Geschichte

Sizilien-Krimi für (ent)spannende Strandlektüre!

Und zu Ihrer Linken sehen Sie: Mord!

Reiseziel Sizilien: Die engagierte und couragierte Reiseleiterin Elena Martell führt in „Mörderküste” durch die Heimat der Cosa Nostra und des Limoncello.

Für alle, die schon sehnsüchtig gen Sommer und Urlaub blicken, sich Sonne und Strand des letzten Jahres noch einmal in den Sinn rufen wollen, oder all jene, die ihren Ausbruch aus dem Alltag schon geplant haben und jetzt noch auf der Suche nach dem Spannungsfaktor im Entspannungsurlaub sind, haben wir den perfekten Sizilien-Krimi!

Urlaubskrimi als Reiseführer

Nicht nur mitreißende Spannung, sondern auch Informationen zu Schauplätzen und Sehenswürdigkeiten; Elena Martell und Eva Gründel begleiten euch an den Strand und durch die Landschaften und Städte Siziliens  – und wir liefern schon mal einen kleinen Vorgeschmack ihrer Reiseroute, der Lust auf Sonne, Strand und mehr macht:

Bergstadt Erice

Sie griff wieder zum Mikrofon, denn in diesem Moment kam das Bergstädtchen Erice erstmals in Sicht. „Wir sprechen später darüber“, bemerkte sie noch, bevor sie mit ihren Erläuterungen über die große Vergangenheit der kleinen Stadt hoch über den Salzgärten von Trapani begann. Auch den Venustempel, einst das begehrte Ziel der Seeleute aus allen Teilen der damaligen Welt, unterschlug sie nicht. Nur die Scherze über die Rolle der Tempelpriesterinnen, die in Wahrheit ein florierendes Bordell betrieben hatten, verkniff sich Elena diesmal. Weil ihr Gelächter im Bus in dieser Situation doch nicht so recht passend erschien, unterschlug sie die pikanten Details und erzählte ausführlicher als sonst die Geschichte des trojanischen Helden Äneas, der mit seinen Argonauten der Legende nach hier gestrandet war.

Selinunte

Ihr Vortrag konnte warten, das milde Licht, in dem die Säulen lange Schatten warfen, hingegen nicht. Eine gute Stunde würde es noch hell genug sein, um ohne zu stolpern zwischen den aufgeschichteten Kapitellen zu spazieren. Im Mittelalter hatte ein Erdbeben die drei Heiligtümer in sich zusammenstürzen lassen. Von den mächtigen Monumenten, die in der Folge vom feinen Flugsand vollständig bedeckt worden waren, war bald nichts mehr zu erahnen gewesen. Erst Jahrhunderte später hatte man die Tempel von Selinunte wieder entdeckt, aber nur einen wieder aufgerichtet. Glücklicherweise, denn ein imposanteres Ruinenfeld war kaum denkbar, wirkten doch die Überreste in Augenhöhe noch gigantischer. Nur wer ein tonnenschweres Kapitell auf dem Boden liegen gesehen hat, kann die Dimensionen der einstigen Tempel wirklich ermessen.

Fresko Bildcredit: By Anachoret (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Fresken in der ehemaligen Kapelle des Palazzo Abatellis

Das Gerippe hoch zu Ross macht keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen Bauer, Bürger, Edelmann. Ob kleiner Priester oder mächtiger Bischof, ob junge Schönheiten oder Verkrüppelte und Ausgestoßene, ausnahmslos holt er sie alle, die unter die Hufe seines gespenstischen Pferdes geraten. Schweigend stand Elena vor dem Fresko aus dem 15. Jahrhundert, das eine ganze Wand in der ehemaligen Kapelle des Palazzo Abatellis ausfüllte. Noch bei keinem Besuch des großartigen Regionalmuseums von Palermo hatte sie sich der bedrückenden Faszination dieses Meisterwerks der frühen Renaissance entziehen können. Diesmal aber traf sie der „Triumph des Todes“ mit voller Wucht. „Grauenhaft. Und in all dem Grauen schaurig schön. Doch wie konnten die Menschen mit solchen Bildern vor Augen leben?“

Also, worauf wartest du noch? Sonnencreme, Strandhandtuch, Bikini oder Badehose eingepackt – und auf zum Strand mit dem perfekten Sizilien-Krimi: „Mörderküste” von Eva Gründel! Und sollte Sizilien nicht ganz deinen Urlaubswünschen entsprechen, haben wir auch Reisen nach Kroatien und England im Angebot – natürlich inklusive charmanter Reisebegleitung!

Vom Mozartkugelmassaker zur Primadonna im Fleischwolf – Krimödien-Queen Tatjana Kruse packt aus

Im herrlich schrägen Krimi „Bei Zugabe Mord!” von Tatjana Kruse darf man sich auf  tragische Komik, komische Tragik, herrlich schräge Figuren und jede Menge Mozartkugeln freuen. Es geht um Schokoholikerinnen, die auf Mozartkugeln starren, um muskulöse Kampfschwimmer, um einen narkoleptischen Hund und um ganz viel Liebe.

Während die Starsopranistin Pauline Miller ihre himmlischen Stimmbänder wohl irgendwo mit einer Flasche Taittinger salbt und Schoßhündchen Radames ein Nickerchen hält, haben wir die Autorin gefragt, wie sie vom strickenden Ex-Kommissar auf die liebenswerte Operndiva gekommen ist und wo all die Ideen für ihre spektakulären Morde herkommen.

Das Nachrichtenmagazin „Focus” nennt Sie nicht ohne Grund Ladykracher unter den deutschen Krimi-Comedians. Gehen Ihnen lustige Texte leichter von der Hand?

Foto: © Jürgen Weller

Ich kam schon lächelnd zur Welt und kann nicht anders. Menschen, die mich mögen, nennen mich heiter, die anderen bezeichnen mich als albernes Huhn.

Ganz ehrlich, das Leben ist doch für jeden von uns – trotz gelegentlicher Highlights – echt schwer genug, da muss es gewisse fröhliche Konstanten wie mich geben. Meine Bücher dürfen gern als Inseln für Eskapismus-Kurzurlaube vom  Alltag betrachtet werden. Das Schmunzeln meiner LeserInnen ist für mich als Autorin der wahre Ritterschlag!

Sie sind im Internet und in sozialen Netzwerken sehr aktiv und stehen so in gutem Kontakt zu Ihren LeserInnen. Inwiefern hat das Einfluss auf Ihr Schreiben?

Es inspiriert mich. Buchstäblich. Ich muss mir beispielsweise bis circa Ende 2031 keine Mordmethoden mehr einfallen lassen, die liefern meine LeserInnen. Ärzte, Apotheker, Jäger, Metzgermeister – Vertreter aller möglichen Berufsstände (meistens Männer) geben mir regelmäßig Tipps, wie man jemanden umbringen könnte. Sogar einige „perfekte Morde“ wurden mir schon anvertraut. Da kann ich aus dem Vollen schöpfen.

Sie haben einmal erwähnt, dass Agatha Christie für Sie als Krimischriftstellerin eine ganz besondere Rolle spielt.

Sie war es, die mich zur Krimiautorin machte! Als junges Mädchen las ich nicht Fünf Freunde oder Hanni und Nanni, sondern schlich mich in der Stadtbücherei meiner Heimatstadt immer zu den Büchern von Agatha Christie in die Erwachsenenabteilung. Ich wurde jedes Mal erwischt und rausgeworfen – zu einer Karriere als Kriminelle würde es nie reichen, das wurde mir damals klar, aber selber schreiben, das sollte gehen. Und es ging!

Nun haben Sie nach Ihrer erfolgreichen Serie um einen stickenden Ex-Kommissar eine neue Krimiheldin, die exzentrische Primadonna Pauline Miller, geschaffen.

Ja, das stimmt. Mein neues Buch ist eine Krimödie um die Liebe und die Folgen ausbleibender Liebe. Es geht um eine liebeskummerkranke Frau und ihren narkoleptischen Hund und ihre kleinwüchsige Agentin und einen feschen Kommissar und durchtrainierte Kampfschwimmer und ganz viele Mozartkugeln …

Und das alles vor der Kulisse der berühmten Salzburger Festspiele, bei denen dann auch dreieinhalb Leichen auftauchen. Die übrigens unschön zu Tode kommen – da sollte man sich als LeserIn ein wenig wappnen. Hier schließt sich der Kreis zur Oper: Wer das Libretto von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ kennt, weiß, mit welchen Mordarten man rechnen muss. Aber es ist fast besser, es nicht zu wissen: Dann erlebt man beim Lesen das Kribbeln der schockierten Überraschung. Und grundsätzlich gilt natürlich auch hier wie bei all meinen Krimis: Bei mir gibt es nichts, was Alpträume beschert – ich liefere nur saubere Leichen!

Sind KrimiautorInnen die besseren Menschen?

Absolut! Wir toben unsere Aggressionen auf dem Papier aus, folglich sind wir im Alltag handzahme, harmoniesüchtige Häschen, pflegeleicht und liebenswert.

Man hört, Sie haben mit Marcel Reich-Ranicki geschlafen. Erzählen Sie uns mehr darüber?

Ja, und ich war mit Arnold Schwarzenegger auf der Herrentoilette eines Luxushotels … Da stecken natürlich Geschichten dahinter! Aber als Dame genieße und schweige ich. Außer auf meinen Lesungen, da plaudere ich – im Rausch des Gruppenhappenings – immer alles aus. Hemmungslos und en détail. Also auf zu einer meiner Lesungen! Und keine Sorge, liebe Eltern, so süffig es klingt, es ist dann doch jugendfrei!

Old, but Polt. Auf einen Veltliner mit dem Kultgendarmen

„Grenzenlos gutmütig und harmoniebedürftig. Aber mutig und nicht mehr aufzuhalten, wenn er sich einmal dazu entschlossen hat zu tun, was getan werden muss. Wenn er jemanden mag, schätzt oder gar liebgewinnt, bleibt er dabei, auch wenn es schwierig werden sollte. Isst und trinkt und liebt fürs Leben gerne. Ruht in sich selbst, und es ist klüger, daran nicht zu rühren.”

Seit 18 Jahren ermittelt Simon Polt nun schon in den verwinkelten Kellergassen des Weinviertels. Unter der Feder Alfred Komareks hat der liebenswerte Gendarm wider Willens Gestalt angenommen. Unser Interview mit dem Autor gewährt tiefe Einblicke in die mal gutmütige, mal eher störrische Gemütslage des Dorfpolizisten.

Folge uns. Auf ein Glas selbstgekelterten Veltliner, in einem gewissen Presshaus im Wiesbachtal. Dort, wo der Wein noch aus echten Holzfässern kommt, fernab von der „Weinlauntsch” und den „siebengscheiten Bemerkungen von ein paar dahergelaufenen Weinkennern”. Dort, wo im Licht einer flackernden Kerze die Welt ganz anders aussieht und wo Polt, mittlerweile pensioniert, gemütlich seinen Gedanken nachhängt.

Melancholisch und langsam geht es hier zu. Und doch macht das Verbrechen keinen Halt vor der verschlafenen Burghofer Kellergasse.
Zwischen Gesetz und Gerechtigkeit, zwischen den „Lokeischns” und Vereinslokalen, zwischen Weltoffenheit und Dorfdünkel muss noch Zeit für ein Gläschen sein. Für einen echten Grünen Veltliner aus Polts Weinheber.

Beim Lesen Ihrer Bücher tritt einem Simon Polt wie ein Mensch aus Fleisch und Blut aus den Seiten heraus entgegen. Wie sind Sie eigentlich auf diese Romanfigur gestoßen?

Als ich damit begonnen habe, über die literarische Figur eines Gendarmen im Weinviertel nachzudenken, lagen schon gut zwei Jahre Leben, Mitleben, Erleben und Beobachten im Weinviertel hinter mir. Für einen Fremden, einen allmählich vertrauten Gast in einer Region gehört insistierende Neugier ganz einfach dazu.

Foto: © Michael Himmel, mit freundlicher Genehmigung der Initiative Pulkautal

Auch mit der Gendarmerie hatte ich immer wieder zu tun. Das lag weniger an meiner kriminellen Energie als daran, dass ich viele Jahre einen 2 CV, also eine Ente fuhr – oder eben nicht fuhr. Bei Nässe oder Kälte – und somit recht häufig – verweigerte dieses Auto nämlich den Dienst. Da half auch die wohlweislich angeschaffte Handkurbel nicht, das unwillige Gefährt musste angeschleppt werden. Letzteres besorgte relativ häufig ein Gendarm mit seinem Streifenwagen – und dieser Gendarm hieß Polt. Der Name war allerdings das Einzige, was er (von der Hilfsbereitschaft abgesehen) mit der späteren Romanfigur gemeinsam hatte. Aber der Name gefiel mir: prägnant, aber nicht aufdringlich, und vom Klang her ein sanfter Schuss.
Später ist mir dann noch mehr und mehr dieser für ländliche Gegenden so typische Zwiespalt aufgefallen: Die Pflicht zu Amtshandlung im Widerstreit zum Dienst an der Dorfgemeinschaft.

Oft hat man das Gefühl, der Beruf als Gendarm sei für Simon Polt mehr Last als Lust, die Uniform eine Bürde, die er gern ablegt, sobald er darf. Warum hat er diesen Berufsweg überhaupt eingeschlagen?

Weil ihm nichts anderes übrig blieb. Sein Vater, Heinrich Polt, ist als Landwirt gescheitert. Damals, in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, war das Wiesbachtal eine ärmliche Gegend dicht an der bedrohlichen Grenze zu Tschechien. Für jemanden, der sich nur auf sein bäuerliches Handwerk verstand, blieben kaum mehr als irgendwelche Hilfsarbeiten, um über die Runden zu kommen.

Der junge Simon Polt hätte damals gerne Lehrer werden wollen. Aber es war einfach zu wenig Geld für die Ausbildung da. Immerhin konnte der Vater den Wunsch seines Sohnes nach einer sinnvollen Aufgabe in der Dorfgemeinschaft verstehen. Die Ausbildung zum Gendarmen bot sich als finanziell gerade noch mögliche Alternative an. Vermutlich war der kleine Simon nicht gerade begeistert, aber doch ganz zufrieden damit.

Als Gendarm steht Simon Polt für das Recht, als Mensch für die Gerechtigkeit. Als Gendarm vertritt er das Gesetz, als Mensch das, was er für richtig hält. Dieser Zwiespalt begleitet Simon Polt stetig – wie geht er damit um? Wie löst er die Widersprüche auf?

In den ersten Jahren als Gendarm hat Polt diesen Widerspruch seufzend hingenommen, auch die sich schmerzlich vertiefende Erkenntnis, dass sein Beruf als Gendarm trotz allen Bemühens, verständnisvoll vorzugehen und Widerstände auszugleichen, nicht zu ihm passte. In „Polt muss weinen“ kulminiert diese Entwicklung in einem Schock. Seit damals tut es wirklich weh, wieder einmal tun zu müssen, was er nicht tun will. Polt wird noch eigensinniger und störrischer, als er es ohnehin schon war, und er erkennt schließlich, dass sich seine Eigenmächtigkeit nicht mehr mit seinem Beruf vereinbaren lässt. Er entledigt sich schließlich, in „Polterabend“, der Uniform – nicht aber seiner Verantwortung für die Menschen ringsum.

Der Simon Polt, den wir in seinen Romanen kennenlernen, ist Junggeselle – ein ganz klassischer noch dazu. Warum eigentlich? Hat er kein Bedürfnis nach einer Gefährtin an seiner Seite? Würde eine Frau die behagliche Ordnung seines Alltags durcheinanderbringen? Oder ist er einfach zu schüchtern?

Polt radelt wieder. Foto: © F. Enzmann, mit freundlicher Genehmigung der Initiative Pulkautal

Polt ist nicht schüchtern. Er sucht ja oft und unbefangen die Nähe zu Frauen, wenn es sich ergibt. Die Frauen im Dorf sind es auch, die ihm helfen, wenn er mit seiner klugen, aber einfach gestrickten Weltsicht wieder einmal nicht mehr weiterkann. Aber Polt muss seit jeher mit einer gewissen Distanz zur – von ihm so sehr geschätzten – Dorfgemeinschaft leben. Er ist das einzige Kind eines Weinbauern, der Hab und Gut verkaufen musste, und einer Mutter, bei der man sich nicht einmal die Mühe macht, schlecht über sie zu reden. Familien, die es nicht fertig bringen, wenigstens den äußeren Schein zu wahren, gehören im Dorf nur am Rande dazu, werden gering geachtet.

Als Gendarm ist Polt dann zwar mit einer gewissen Autorität ausgestattet, doch auch die ist nur eine obrigkeitliche Leihgabe und hat den üblen Geruch der Willkür an sich. Polt hat also genug damit zu tun, sich als aufrechter, aufrichtiger Mann zu beweisen, der wenigstens versucht, seinen Beruf anständig auszuüben. Das tut er unverdrossen, tapfer und oft genug im Zwiespalt mit sich selbst. Einer wie er, ist Polt zutiefst überzeugt, sollte den Frauen als Partner besser erspart bleiben. Also richtet er es sich behaglich ein in seinem Junggesellen-Leben. Das gelingt ihm so gut, dass er an seiner Eignung zur Zweisamkeit auch dann noch zweifelt, als Karin Walter immer wichtiger in seinem Leben wird. Eines Tages zwingt ihn dann sein Beruf in einen bösen Streit mit der Lehrerin, und das bestätigt seine Befürchtungen.

Später dann tritt mit Karin Walter doch noch eine Frau in Polts Leben. Ist sie, die zielstrebige, moderne, offene Frau, die ideale Ergänzung zum oft zögerlichen, zurückhaltenden Polt? Oder ist sie – auch eine Art von Außenseiterin im Dorf, unangepasst und eigensinnig – eher eine Seelenverwandte?

Natürlich sind beide dörfliche Sondererscheinungen, haben also zumindest etwas gemeinsam. Auch spüren, ahnen, wissen beide, dass sie bei aller Verschiedenheit verblüffend gut zusammen und ineinander passen – so wie zwei Teile eines Puzzles. Andererseits weiß Polt sehr gut, dass es um zwei Lebenswelten geht, die nicht allzu viele Berührungspunkte miteinander haben, dass er für intensiv und alltäglich gelebte Zweisamkeit wenig Begabung mitbringt und Karin Walter seiner schlicht möblierten Welt irgendwann überdrüssig werden könnte. Aber Polt ist, wie viele Männer, auch ein großes Kind und darf hoffen, dass die Lehrerin Karin Walter nie aufhören wird, diesen Umstand pädagogisch reizvoll zu finden.

Von Roman zu Roman wird die Liaison zwischen Simon Polt und Karin Walter ein wenig enger – wenn auch in kleinen, sehr vorsichtigen Schritten. Was ändert sich dadurch für Simon Polt? Und wie verändert er sich selbst?

Simon Polt entdeckt neue Farben, Konturen, Bilder in sich, die ihn verwirren und betören, die ihm aber auch Angst machen. Bisher kannte er sich recht gut aus in sich und in der Welt um ihn, fand sich auch mit geschlossenen Augen zurecht. Jetzt ist er sich selbst zu einem Rätsel geworden, das er nicht lösen kann und nicht lösen will, oder zu einem Wunder, an das er kaum zu glauben wagt. Andererseits erfährt er zum ersten Mal in seinem Leben, dass er für jemanden wichtiger ist als alles andere auf der Welt. Das versteht er zwar nicht, aber er nimmt zur Kenntnis, dass er in irgendeiner Weise wertvoll und beachtenswert sein muss. Das macht ihn selbstbewusster und sicherer.

Manchmal wirkt Simon Polt ein bisschen aus der Zeit gefallen; einen „altmodischen Menschen“ nennt ihn Karin einmal. Hat sie recht damit?

Ein bisschen? Polt ist ein Fossil, von einer erschreckend rasch schwindenden Gruppe weiterer Fossilien umgeben. Er ist in einer festgefügten Welt aufgewachsen: das Dorf als Schicksalsgemeinschaft mit strengen, aber auch beruhigend verlässlichen Regeln, die Kellergasse als Arbeitswelt, die auch eine trunkene Gegenwelt zur dörflichen Ordnung ist – aber auch hier ist nicht alles erlaubt. Über Jahrzehnte hinweg hat sich dieser Lebensraum – nicht zuletzt durch den Mangel an Perspektiven im stillen, allzu stillen Land an der Grenze – kaum merklich geändert. Seit ein paar Jahren ist der Fortschritt nicht mehr aufzuhalten. Aber Polt weigert sich stur, mit der Zeit zu gehen. Möge die Zeit doch gefälligst mit ihm gehen.

Wenn Sie Simon Polt in ein paar Stichwörtern charakterisieren sollten – wie würde so ein Porträt aussehen?

Gutmütig und harmoniebedürftig bis an die Grenze zur Dummheit. Gefährlich, mutig und nicht mehr aufzuhalten, wenn er sich einmal dazu entschlossen hat, mit aller Kraft und Zähigkeit zu tun, was getan werden muss. Wenn er jemanden mag, schätzt oder gar liebgewinnt, bleibt er dabei, auch wenn es schwierig werden sollte. Ablehnung, Verachtung oder gar Feinschaft spricht er offen aus. Isst und trinkt und liebt fürs Leben gerne. Ruht in sich selbst, und es ist klüger, daran nicht zu rühren.

In Kärnten fällt die Sonne vom Himmel, ein tibetischer Mönch fällt vom Gebetspfad, beim Villacher Fasching fallen alle Hüllen – und ein toter Ex-Häftling fällt für die Behörden kaum ins Gewicht.

Die Krimis um Ernesto Valenti von Kärnten-Insider Wilhelm Kuehs

Österreich gebiert nicht nur große Töchter und Söhne, sondern auch wunderbar abgründige Kriminalromane. Wilhelm Kuehs, Kärntner Autor und langjähriger Journalist, beschäftigt sich in den seinen unter anderem mit einer weiteren österreichischen Spezialität: der Korruption, oft einhergehend mit diversen Freunderlwirtschaften und Buberlpartien – gerade im schönen Kärnten. Als Berichterstatter besuchte Wilhelm Kuehs Gemeinderäte, Zeltfeste und Bürgerversammlungen und lernte so zu verstehen, wie sein Land tickt, wo vertuscht, wo sich bereichert und wo ausgegrenzt wird. In seinen Kärnten-Krimis lässt er tief in die Seele des Landes blicken.

Ermittler Ernesto Valenti, ebenso wie sein Schöpfer Journalist, arbeitet für die Kärntner Tagespost und ist ein überaus kritischer Kopf, der sich nicht mit leeren Phrasen und zurechtgebastelten Erklärungen abspeisen lässt – schon gar nicht von zweifelhaften Regionalpolitikern. Valenti ist einer von den Guten, und damit ist er in den Kreisen, in denen er sich beruflich bewegt, ein Querulant und nicht überall gern gesehen. Durch seinen Beruf ist er auf Du und Du mit den „üblichen Verdächtigen“, den wichtigsten Köpfen aus Politik, Wirtschaft und Unterwelt – und geübt darin, unter die Oberfläche unserer Gesellschaft und mitten in deren Abgründe einzutauchen.

Der Blick vom Lingkor des Heinrich Harrer Museums. Hier tun sich Abgründe auf. Foto: © Wikimedia Commons

In seinem ersten FallDer letzte Rock hat keine Taschen“ stürzt im Hüttenberger Tibet-Zentrum ein buddhistischer Mönch in den Tod. Der Pressesprecher des Landeshauptmanns ist erpicht darauf, den Todesfall schnell als Unfall abzutun und nur ja kein großes Aufheben zu riskieren. Das macht Ernesto misstrauisch – er beginnt, Nachforschungen anzustellen. Offensichtlich ist man in Sorge, dass die gute Beziehung zum Dalai Lama und damit die Errichtung einer Tibet-Universität in Hüttenberg durch den Tod des Mönchs vor dem Aus stehen könnte. Und von dieser Tibet-Uni hätten offenbar so einige profitiert … Was offiziell als Versuch dargestellt wird, die Wirtschaft in einem aussterbenden Ort anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen, entpuppt sich schnell als perfide Strategie, Geld und Prestige unter einigen wenigen aufzuteilen und sich zu bereichern – natürlich in Hinterzimmern und bei geschlossenen Türen.

In Ernestos zweitem Fall, „Wer zuletzt lacht“, gibt der Villacher Bürgermeister während einem Faschingsempfang den Löffel ab: Er kippt in seinen Teller mit Heringssalat und stirbt. Ein skurriler Tod, findet Ernesto, und tippt auf einen Giftmord. Die Polizei schießt sich schnell auf einen Verdächtigen ein, doch Ernesto ermittelt weiter – und stößt auf seltsame Verbindungen. Weshalb hat der Bürgermeister derart vehement gegen einen Bordellbesitzer gekämpft? Inwiefern stehen die Herren der Faschingsgilde mit ebenjenem in Verbindung? Ernesto erkennt: Die Faschingsgilde ist alles andere als ein lustiger Verein, vielmehr eine Vereinigung von Männern, die unter dem Deckmäntelchen ihrer Narrenkappen die Macht im Land an sich reißen. Dass sie ganz nebenbei wilde Orgien feiern und auch Menschenhandel und brutale Ausbeutung von wehrlosen Prostituierten kein Problem darstellen, schockiert selbst den mit vielen Wassern gewaschenen Ernesto.

Kaum hat er die Hintergründe des bürgermeisterlichen Ablebens aufgeklärt, stolpert Ernesto in seinen brisanten dritten Fall. In „Mein letzter Wille geschehe“ wird er von einem ehemaligen Häftling aufgesucht. Der wegen Mordes an seiner Ehefrau verurteilte Friedrich Schatz wurde nach mehreren Jahren Haft entlassen und bittet Ernesto, seine Unschuld zu beweisen. Ernesto zweifelt zunächst an Schatz’ Geschichte, beschließt dann aber doch, der Sache nachzugehen. Plötzlich wird sein Auftraggeber tot aufgefunden: erschossen auf Schloss Waldenstein, an der Wand eine rätselhafte Botschaft …

Valenti recherchiert im Umfeld des Verstorbenen: Zusammen mit anderen arbeitslosen Menschen hat man Friedrich Schatz die alte Volksschule Waldenstein am Ortsrand von Wolfsberg verbannt. Bei Ermittlungen tauchen Notizhefte von Schatz auf, die angesehene Lokalpolitiker schwer belasten:  „Soziales Gewissen“ schaut anders aus. Schmerzlich wird Ernesto bewusst, wie stark die Mechanismen der Ausgrenzung auch im Kleinen, am Käntner Land, funktionieren. Mit scharfem Blick zeigt Wilhelm Kuehs, was ebendiese Mechanismen mit dem Individuum anstellen und wohin die so entstehende Ohnmacht führen kann.

Wirtschaftskriminalität und politische Ignoranz in a nutshell: Am Beispiel von Kärnten rechnet Wilhelm Kuehs schonungslos ab mit einer korrupten politischen Kaste, die stets nur gute Wahlergebnisse und den eigenen Vorteil anstrebt – und dabei das eigene Land ohne jeden Skrupel ausplündert. In seinen Kriminalromanen wird das Bundesland zum Modellfall für den Niedergang von Politik und Gesellschaft. Was in seinem fiktiven Kärnten geschieht, kann man ebenso gut auf ganz Österreich, ja, auf ganz Europa umlegen.

Angesiedelt dort, wo laut Kärntner Hymne „Mannesmut und Frauentreu’ / Die Heimat sich erstritt aufs neu’ / Wo man mit Blut die Grenze schrieb / Und frei in Not und Tod verblieb“, schafft Wilhelm Kuehs Szenarien, die so erschreckend sind, dass man kaum glauben mag, dass Ähnliches auch in der Realität vor sich geht. Doch Medienberichte, wie etwa kürzlich die Berichterstattung über das „Erotikhotel Wellcum“ im Gailtal, zeigen:

Genau so könnte es passiert sein. Und genau so passiert es. Tag für Tag. In Kärnten. In Österreich. Überall.

Zart, aber hart: Valerie „Veilchen” Mauser im Porträt

Das heiß ersehnte Erscheinen von Joe Fischlers fünftem Veilchen-Krimi „Veilchens Show” haben wir zum Anlass genommen, uns das vielleicht beliebteste Ermittlerduo der Alpen einmal genauer anzusehen: Valerie „Veilchen“ Mauser und Manfred Stolwerk.

Thrill in Innsbruck

Wer denkt, im „Heiligen Land Tirol” geht alles besinnlich und mit rechten Dingen zu, der hat sich geirrt! Man sollte sich nicht vom malerisch beschriebenen Patscherkofelidyll oder der atmosphärischen Altstadt ums Goldene Dachl täuschen lassen, denn in dunklen Gassen wird hier Lösegeld übergeben, in eisiger Kälte wird beschattet – und zwischendurch wird auch mal ein Graukäs gegessen.

Ein Ermittlerduo mit Persönlichkeit und Wiedererkennungswert

Thrill und Unterhaltung pur mit Joe Fischlers Veilchen-Krimis! Foto: © Watzek Photografie

Joe Fischlers Debütroman Veilchens Winter ist nicht nur eine charmante Hommage an seine Heimatstadt Innsbruck, sondern auch ein unterhaltsamer und temporeicher Krimi. Die entführte Tochter eines Oligarchen und dessen fragwürdige Verbindung zum Landeshauptmann bringen den Stein für Valerie „Veilchen“ Mauser ins Rollen. Gerade erst von der Wiener Kripo als Leiterin der Abteilung Leib und Leben ans LKA gewechselt, schon befindet sie sich mitten in einem Netz aus Freunderlwirtschaft, Intrigen, Luxushotels und permanentem Unterzucker. Da muss sie natürlich nicht alleine durch – ihr ehemaliger Partner und jetzt Sicherheitsbeauftragter Manfred Stolwerk lässt es sich nicht nehmen, seinem Veilchen, für diesen Spitznamen ist er verantwortlich, mit Rat und Tat und dem einen oder anderen Anti-Witz zur Seite zu stehen. Ihr Spitzname, bei dem man zuerst an fragile, kleine lila Blumen denken mag, rührt übrigens daher, dass Valerie besagte Blume schön öfter ums Auge getragen hat.

Charme und Spürsinn im Doppelpack

Die Neo-Tirolerin, die anfangs noch auf kulturelle Barrieren stößt, wie zum Beispiel richtige Anrede („Sie“? Vorname oder doch Nachname? Oder„du“ und Nachname?), mag zwar manchmal etwas durch den Wind wirken, der unkontrollierbare hellbrünette Afro hilft da auch nicht, sie ist aber nichtsdestotrotz eine ausgezeichnete Kriminalbeamtin. Zusammen mit dem etwas fülligeren Stolwerk, der jederzeit einen Kaiserschmarren einer schönen Frau vorziehen würde – also eine passende Namensverwandtschaft mit dem gleichnamigen Karamell-Kauzuckerl – bildet sie ein überaus sympathisches und zutiefst menschliches Ermittlerduo. Sie ergänzen einander, und vor allem das Zusammenspiel der beiden Protagonisten ist es, was den Veilchen-Krimis ihren besonderen Charme gibt. Sei es Veilchens kleine Souffleuse, die sie ständig dazu auffordert, Dinge zu sagen, die man sich nur denken sollte, oder Stolwerks markanter Lieblingspullover, der gleich in mehrfacher Ausführung gekauft wurde; diese Marotten machen Stolwerk und Veilchen zu etwas Besonderem.

Steckbrief Valerie „Veilchen” Mauser

Spitzname: Veilchen

Geburtsdatum: 03.01.1973

Geburtsort: Wien

Größe: 170 cm

Größe mit Haaren: 183 cm

Haarfarbe: Blond

Augenfarbe: Grün

Besondere Merkmale: Afro-Frisur

Wohn- und Dienstort: Innsbruck

Polizeiliche Funktion: Leiterin EB 01 Leib/Leben am LKA Tirol

Vater: Staatsanwalt Doktor Hartmut Mauser, geboren am 18.05.1940 in Innsbruck, verstorben am 03.12.1986 in Wien

Mutter: Pauline Mauser, geboren am 10.08.1947 in Wien, Pensionistin

Kinder: Eine Tochter, geboren und zur anonymen Adoption freigegeben am 04.12.1991, Name und Aufenthalt unbekannt

Für alle, deren Spürsinn nun geweckt ist und die selbst Ermittlungen zu den Büchern anstellen wollen, führt hier eine heiße Spur zum ersten Abenteuer mit Valerie und Stolwerk und so manch ein Indiz unter diesem Link führt zu Valerie „Veilchen” Mausers neuestem Fall!