Kategorie: Krimi

„Bevor ich anfange zu schreiben, male ich mir immer mit Kugelschreiber einen Smiley aufs Handgelenk, damit ich nie vergesse, dass ich die Menschen zum Lächeln bringen will.“ Interview mit Tatjana Kruse

Spannende Kriminalfälle spinnen und die Menschen dabei zum Losprusten bringen, das schafft vermutlich niemand so unglaublich gut wie Tatjana Kruse. In ihrem neuesten Roman stellt sie eine krimödiantische Verbindung zwischen Büroalltag und Jenseits her. Wir haben sie gefragt, wie sie auf ihre ganz spezielle neue Ermittlerin kam, was es mit ihrem Insiderwissen über den Büroalltag auf sich hat und was sie als Geist so alles anstellen würde.

Die Figuren in deinen Romanen sind immer außergewöhnlich – ein Männersticker aus Schwäbisch Hall, eine ermittelnde Opernsängerin, ein Kitzbüheler Zimmermädchen mit Spürnase. Dieses Mal hat deine Protagonistin aber eine noch überraschendere Eigenschaft: Sie ist tot. Wie ist es dazu gekommen?

Womöglich wurde ich mir einfach zu Beginn der Pandemie meiner eigenen Mortalität besonders bewusst. Jedenfalls dachte ich eines Tages: Was, wenn du morgen aufwachst und merkst, du bist tot. Nicht nur tot, sondern ermordet! (Klar, ich bin Krimiautorin – ein schnöder Virus als Killer hat mir nicht gereicht.) Damit war die kleine Dampf-Lokomotive meiner Fantasie in Gang gesetzt und rollte und dampfte und zischte unaufhaltsam weiter.

Börnie stirbt in ihrem Büro – umgeben von Kolleginnen und Kollegen. Inwiefern ist ein großes Büro der perfekte Spielplatz für eine Krimiautorin?

Ich habe mir mein Studium als Sekretärin verdient – anfangs in einem Großraumbüro. Ich fand diese vielen Menschen auf einen Haufen total spannend – und habe immer mit offenen Augen und Ohren alles, was so passierte, in mich aufgenommen und im Hinterkopf zur späteren Verwendung zwischengelagert. Schon damals habe ich gedacht: Hier geschehen derart schräge Dinge, über die sollte man schreiben. Wobei das Leben ja oft so viel schräger ist als die Fiktion: Vieles, was tatsächlich passiert ist, würde einem zwischen zwei Buchdeckeln niemand glauben; alle würden es als hanebüchen abtun. Und natürlich hat die mir innewohnende kriminelle Fantasie aus jedem noch so kleinen Informationsbrocken ein potenzielles Verbrechen gemacht.

(PS: Ich möchte darauf hinweisen, dass alle Kolleg*innen bei meinem Ausscheiden aus der Firma noch am Leben waren. Nicht, dass da ein falscher Verdacht aufkommt …)

Nehmen wir an, du könntest dich wie Börnie einen Tag lang unbemerkt von allen, unsichtbar und unhörbar, durch die Welt bewegen. Was oder wen würdest du beobachten?

Foto: © Jürgen Weller

Ganz ehrlich, es ist meine große Hoffnung, dass der tibetische Buddhismus recht hat und man nach dem eigenen Ableben noch 49 Tage auf der Welt unterwegs ist. Wenn das stimmt, würde ich definitiv an meiner eigenen Trauerfeier teilnehmen wollen. Ich würde ein letztes Mal alle be- bzw. heimsuchen, an denen mir etwas lag, respektive die ich nicht ausstehen konnte. Und ich würde mich nochmal an all meine vielen Lieblingsorte auf dieser Welt „beamen“ – Berge, Meer, Museen, Kneipen. Danach könnte ich zufrieden ins Licht gehen mit der Gewissheit: Ich hatte ein gutes Leben!

Wie viele der skurrilen Momente in deinen Romanen beobachtest du im echten Leben und wie viel ist der Phantasie entsprungen?

Der überwiegende Teil meiner Geschichten ist vom wahren Leben inspiriert. Nur ein paar Beispiele aus dem Buch: Börnies Abschiedsparty war quasi meine eigene (nur dass ich damals überlebte), ich habe vor vielen Jahren als Medium aus den Tarotkarten gelesen und die „Zukunft“ vorhergesagt, auf einer Lesung in einer fernsehbekannten Gerichtsmedizin konnte ich dort hinter die Kulissen schauen und auch „schnuppern“ – alles, was in meinen Büchern steht, hat mehr oder weniger einen realen Hintergrund. Nur die Morde sind erfunden!

Krimi und Komödie, Mord und Gelächter: auf den ersten Blick überraschend in der Kombination. Du aber hast das Genre der Krimödie perfektioniert. Wie bist du ursprünglich zu diesem charmanten Genremix gekommen?

Das Leben ist ernst genug, da braucht es meiner Meinung nach so viel Humor wie nur möglich! Mein Credo: Ich will den Leser*innen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wer meine Bücher als „pure Eskapismus-Lektüre“ bezeichnet, beleidigt mich damit nicht. Im Gegenteil, ich finde: Humor hilft nicht nur heilen, Humor ist auch essenziell, um unser verrücktes Dasein einigermaßen unbeschadet an Leib und Seele zu überstehen. Bevor ich anfange zu schreiben, male ich mir immer mit Kugelschreiber einen Smiley aufs Handgelenk, damit ich nie vergesse, dass ich die Menschen zum Lächeln bringen will.

Im Nachwort zu „Es gibt ein Sterben nach dem Tod“ dankst du dem Geist deiner Kindheit. Kannst du uns etwas über ihn verraten?

Diesen Geist gibt es wirklich! In bin in einem mittelalterlichen Fachwerkhaus aufgewachsen, dessen Mauern schon so einiges zu sehen bekommen haben. Der Geist, von dem ich im Nachwort erzähle, war mir ein treuer Kindheitsbegleiter. Er hauste im Treppenhaus. Anfangs habe ich mich gefürchtet, und sobald es dämmrig wurde, habe ich immer erst alle Lichter eingeschaltet, bevor ich das Treppenhaus betrat. Aber was Geister angeht, war er einer von den Guten. Wenn ich heutzutage an meinem ehemaligen Elternhaus vorbeigehe, steht manchmal die Haustür offen und man sieht das Treppenhaus. Dann rufe ich ihm immer einen Gruß zu. Natürlich stumm, nur in Gedanken, damit man mich nicht in eine Zwangsjacke steckt und abführt …

Gibt es ein Lied, das du während des Schreibens besonders oft gehört hast?

Alle meine Bücher haben einen eigenen Soundtrack. Während ich die Geschichte von Börnie, Jenny und Kai-Uwe aufschrieb, lief im Hintergrund in Dauerschleife Smooth Jazz. Bevor ich anfing, habe ich Börnie gechannelt und sie gefragt, was sie hören will, und sie erklärte, dass sie als Geist diese eingängigen Klänge – die man ja oft auch in Kaufhaus-Aufzügen zu hören bekommt – total beruhigend findet. Selbstverständlich war mir Börnies Wunsch Befehl. Mittlerweile bin ich ein großer Fan von Smooth Jazz. Börnie weiß eben, was gut ist!

„Für mich ist es ein großes Geschenk, Eindrücke unmittelbar umsetzen zu können.“ Interview mit Thomas Raab

Bevor er seine Liebe zum Schreiben entdeckte, arbeitete Thomas Raab als Lehrer, Liedermacher, im Musical- und Musiktheaterbereich und als Singer-Songwriter. Und jetzt? Acht Romane um den Restaurator Willibald Adrian Metzger und „Still – Chronik eines Mörders“ später lässt er mittlerweile auch die betagte Frau Huber ermitteln, zuletzt in „Helga räumt auf“. Linda Müller hat mit dem Autor über seine Beziehung zum Metzger und der Huberin gesprochen, über Tipps für das frühere Ich und darüber, was ihn gerade ärgert.

Es begleiten dich seit einiger Zeit literarisch sowohl Willibald Adrian Metzger als auch „die Huber“ – man ahnt gleich, dass es zwei sehr verschiedene Figuren sind. Wie würdest du dein Verhältnis zu den beiden beschreiben?

Mein Willibald ist in mir, die Hanni eher um mich herum. Den Metzger schreib ich sehr aus mir heraus, die alte Huber eher wie ein schüchterner Bub, der ihr heimlich über die Schulter schaut. Niemals würde sie mir das Du-Wort anbieten, und selbst wenn, hätte ich vor lauter Respekt Hemmungen, sie anders als Frau HUBER oder die Huberin zu nennen.

Bei Haymon Krimi erscheint im Taschenbuch die Kriminalgeschichte „Der Metzger fällt nicht weit vom Stamm“. Der Metzger trifft auf einen kleinen Buben, der ihn sehr an seine eigene Kindheit erinnert. Was war der Metzger denn so für einer – als Kind?

Ich vermute, da würde ich ihn sehr zu mir selbst machen, sein Wesen betreffend. Zu früh eingeschult, immer kleinlaut, verlegen, gemobbt, pummelig, verträumt. Hat noch Playmobil gespielt, da sind andere längst über dem Bravo-Heftl gehangen und haben verstanden, worüber der Doktor Sommer da eigentlich schreibt. Und logisch waren es (wie bei mir) gebrauchte Playmobil-Figuren, die er von seinem Taschengeld einem Mitschüler abgekauft hat, der als Scheidungskind von seinem Vater mit Spielzeug überhäuft wurde und nicht mehr wusste, wohin damit …

Foto: © Fotowerk Aichner

 

Du sagst in Interviews immer wieder, dass schreiben für dich etwas Angstbesetztes war. Wenn du dem kleinen Thomas von damals einen Rat geben könntest, welcher wäre das?

Rückblickend ist es total ok, so wie es war. Mach es genauso wieder. Hab solange Angst, bis aus der Angst die Haltung wird: Es ist völlig blunzen, was Du verzapfst, daraus wird sicher nie etwas! Und genau deshalb fängst Du völlig stressfrei nur für Dich damit an, ohne Erwartungshaltung, nur weil es Dir Freud macht. Am schlimmsten, denk ich, sind jene dran, die immer spitze in Deutsch waren, dann unbedingt Schriftsteller werden wollen, und es klappt nicht. Bei mir war es als Musiker so. Ich wollte es unbedingt, hab enorm viel investiert, irgendwann nur noch zwanghaft probiert, einen Hit zusammenzubringen, um im Radio gespielt zu werden, und am Ende war das alles nur noch selbstentfremdet. Obendrein in ungünstigen Zeiten. Andi Knoll hat mich damals 2002 bei einem Konzert am Heldenplatz (Lange Nacht der Musik) gefragt, warum ich deutsche Texte schreib. Ö3 war zugepflastert mit rein englischsprachiger Popmusik. Eine Schande eigentlich. Heut ist das zum Glück anders …

Deine Romane bestechen neben spannenden Plots durch spitze und treffende Beschreibungen von Milieus, Umgebungen, Lebenswelten. Wie wählst du aus? Und aus welchem Vollen schöpfst du?

Danke für das Kompliment. Des einen Freud, des anderen Leid. Wer plotgetriebene Bücher sucht, ist bei mir nämlich falsch. Für mich ist es ein großes Geschenk, Eindrücke unmittelbar umsetzen zu können. Mein Playmobilspiel nun auf Papier fortzusetzen, Welten zu errichten. Ich hab Nächte damit verbracht, meine Maxeln zu kostümieren, hab ihnen aus Stoff Kleider gebastelt, aus Decken Landschaften …

Immer wieder beschäftigst du dich in deinen Büchern mit aktuellen Themen, die dich gerade sehr ärgern. Das macht natürlich neugierig: Was ärgert dich gerade sehr?

Unser Bildungssystem. Schule generell. Wie verantwortungslos Politik mit einer Pflicht umgeht, die jeder zu erfüllen hat. Schulpflicht. Dem muss nicht nur aus moralischen Gründen unseren Kindern, unserer Gesellschaft und unserer Zukunft gegenüber oberste Priorität eingeräumt werden. Und gerade Corona hat gezeigt, wie alleingelassen die Welt der Kindergärten, der Primar- und Sekundarstufe 1 wird. Seit Jahrzehnten. Und immer noch. Wer will da noch in Kindergärten oder Schulen arbeiten, bei diesem Einstiegsgehalt, der völlig fehlenden Wertschätzung, den Arbeitsbedingungen. Und der Unterrichtsminister erklärt, die Pensionierungswelle und der Lehrer*innenmangel wären nicht vorhersehbar gewesen … Es ist erbärmlich.

Nach einer für Autor*innen sehr entbehrungsreichen Zeit ist es endlich wieder möglich, Bücher direkt zum Publikum zu bringen – hast du das vermisst?

Alles daran hab ich vermisst. Die Möglichkeiten über FaceTime, Skype und Zoom haben zwar Platz in meinem Alltag gefunden, ein ganzer Tag Fliegerei hin und her nur für eine Besprechung, einen Geschäftstermin, das ist dankbarerweise Geschichte. Von diesem Zwang, sich über soziale Medien in Szene zu setzen, irgendetwas vorzugaukeln, das Unechte als Wahrhaftigkeit zu bewerben, nur um Bücher zu verkaufen, davon halte ich aber immer weniger. Wenn Schriftstellersein bedeutet, in einer Scheinwelt den Kasperl machen zu müssen, herumzuprotzen mit Selbstüberhöhung, und dabei keinen Buchhändler*innen, keinen Leser*innen mehr begegnen zu dürfen, echten Menschen, die meinem Schreiben erst Bedeutung geben – lass ich es besser bleiben.

Viele Menschen haben für jede Lebenssituation das passende Buch im Regal – was liest du gerade? Und warum liest du es gerade jetzt?

Ich lese gerade ein Sachbuch: Die Lagunen von Venedig bis Grado von Heinrich Breidenbach. Faszinierend, der historische Wasserweg „Litoranea Veneta”. Ich les es gerade jetzt (im Urlaub), weil es mir immer mehr am Herzen liegt, mich mit meiner unmittelbaren Umgebung näher zu befassen. Das schenkt mir mehr Wertschätzung und lässt mich anders auf die Dinge schauen, die ständig um mich herum sind … Mittlerweile genier ich mich dafür, die Unkräuter und Wildpflanzen in unserem Garten nicht namentlich zu kennen. Jedes Radl Wurst hat richtigerweise mittlerweile seinen Absender, aber über den Boden, auf dem ich steh, weiß ich Depp so gut wie nichts … Da ist also viel Luft nach oben.

„Viel zu lange, viel zu oft waren literarische Frauenfiguren auf wenige Teilaspekte und Klischees reduziert“ – Interview mit Ellen Dunne und Gudrun Lerchbaum

Ellen Dunne und Gudrun Lerchbaum schreiben über gesellschaftliche Missstände, kratzen an Tabus, stellen unangenehme Fragen. Ihre Geschichten zeigen das Leben in seiner Vielschichtigkeit, oft mit einer guten Portion schwarzem Humor. In Ellen Dunnes „Boom Town Blues“ blickt Ermittlerin Patsy Logan in die hässliche Fratze von Ausbeutung und Kapitalismus. Gudrun Lerchbaums „Das giftige Glück“ stellt uns vor die Frage, ob zu einem selbstbestimmten Leben nicht auch ein selbstbestimmtes Sterben gehört. Wir haben mit den beiden Autorinnen über das Schreiben und ihre Sicht auf die (Krimi-)Literaturwelt gesprochen.

Ellen Dunne, Foto: © Orla Conolly

Ihr seid beide Schriftstellerinnen – und miteinander befreundet. Unterhaltet ihr euch übers Schreiben, fragt ihr die andere um Rat während des Schreibens bzw. gebt ihr euch Tipps?

Ellen Dunne: Übers Schreiben allgemein unterhalten wir uns immer wieder. Meine Manuskripte teile ich aber selten, bevor ich fertig bin, auch nicht mit befreundeten Kolleg*innen. Bin da etwas eigenbrötlerisch veranlagt, aber meist auch spät dran in meinem Zeitplan und habe deshalb nur noch wenig Zeit für Feedback-Schleifen. Schade eigentlich, weil ich empfinde den Austausch gerade mit Gudrun sehr positiv. Sie hat „Boom Town Blues“ erst als fertiges Manuskript gelesen, aber das Exposé des Nachfolgers, den ich derzeit in Arbeit habe, hat sie ebenfalls schon gesehen. Und bei einer Kurzgeschichte, die sie ebenfalls vorab von mir zu lesen bekam, verdanke ich ihrer Anregung einen viel besseren Titel. Ich lerne also langsam dazu, haha.

Gudrun Lerchbaum: Wir reden schon auch übers Schreiben, aber vor allem immer wieder über die Eigenheiten des Literaturbetriebs. Den auch nur ansatzweise zu durchschauen, wäre wohl eine Lebensaufgabe, der wir uns mit aller gebotenen Unernsthaftigkeit widmen.

Wir haben beide schon Texte der anderen vor der Veröffentlichung gelesen. Dabei geht es aber in meinen Augen weniger um ein Kolleginnenlektorat oder gute Tipps im Prozess als um den Blick, ob am Ende alles da ist, was die Geschichte braucht. Es bestehen, denke ich, einige Ähnlichkeiten in unserem Schreiben, die mir das Vertrauen geben, dass wir sehen, worauf es der anderen ankommt.

In euren Büchern spielen starke Frauenfiguren eine sehr wichtige Rolle. Findet ihr, dass es genug solcher Charaktere in der (Krimi-)Literatur gibt?

Ellen Dunne: Ich finde es schön und vor allem wichtig, dass es (endlich) immer mehr spannende und facettenreiche Frauenfiguren gibt bzw. der Boden dafür dank toller Kolleginnen bereitet wurde. Und es gibt noch ausreichend Platz für viele, viele mehr von ihnen.

Gudrun Lerchbaum, Foto: © Martin Jordan

Gudrun Lerchbaum: „Stark“ würde ich hier nur im Sinn von „vielschichtig“ gelten lassen. Vielschichtig kann eine Figur nur sein, wenn sie sowohl Stärken als auch Schwächen hat. Da facettenreiche Charaktere, gleich welchen Geschlechts, unerlässlich für gute Literatur sind, kann es nie genug von ihnen geben.

Ja, viel zu lange, viel zu oft waren literarische Frauenfiguren auf wenige Teilaspekte und Klischees reduziert. Doch das liegt nicht daran, dass keine besseren und realistischeren Charaktere erdacht wurden, sondern daran, dass zu wenige der patriarchal gestimmten Verlage deren Geschichten veröffentlichen und zu wenige Kritiker sie wahrnehmen wollten, da sie dem „männlichen Blick“ nicht relevant erschienen. Schön, dass sich das langsam ändert!

Was würdet ihr euch von der Krimiszene in Zukunft wünschen?

Ellen Dunne: Dass endlich diese Unterscheidungen von E und U fallen, allgemein in der Literatur, als auch im Bereich Krimi. Dieses Kategoriendenken in „wertvoll“ versus „nur Unterhaltung“ engt unnötig ein und findet sich beispielsweise im englischen Raum nicht. Da sind die Grenzen zwischen Krimi und Literatur fließend, und beide werden ernst genommen. Gerade dadurch sind diese Bücher oft so spannend und wirken weniger schablonenhaft. Da fehlt vielen deutschen Verlagen (oder auch dem Buchhandel?) zu oft der Mut und das Zutrauen in die Leserschaft. Stattdessen kaufen sie dann die Übersetzungen von englischsprachigen Autor*innen. Das finde ich schade.

Gudrun Lerchbaum: Was Ellen sagt! Außerdem müssen die – meinetwegen unbewussten – patriarchalen Denkmuster noch weiter aufgebrochen werden. Es kann doch nicht sein, dass bei großen Krimipreisen wie dem GLAUSER in den letzten zehn Jahren lediglich zweimal eine Autorin in der Hauptkategorie ausgezeichnet wurde. Stilbildende Kolleginnen wie Simone Buchholz gehen hier regelmäßig leer aus – und nein, es liegt nicht an der Qualität! Wer schon einmal in einer Jury mitgewirkt hat, weiß, dass auf einer Shortlist wohl seltenst tatsächliche Niveauunterschiede bestehen. Es geht letztlich meist um unterschiedliche Vorlieben und den Kompromiss darüber. Und wenn ich, wie schon geschehen, von einem weiblichen Jurymitglied einer wichtigen Auszeichnung schon vorab höre, dass die Autorin ihrer Wahl leider nicht durchsetzbar sein wird, weil da halt auch „richtige Männer“ im Gremium säßen, dann laufe ich heiß.

Habt ihr ein Vorbild, was das Schreiben betrifft?

Ellen Dunne: Beim Schreiben bin ich inzwischen sehr stark von meiner irischen Wahlheimat beeinflusst. Ich lebe seit 18 Jahren nicht mehr im deutschsprachigen Umfeld, lese viel und unterhalte mich auf Englisch, schaue Serien, habe den eigenen Humor und das Lebensgefühl von Irland und seinen kulturellen angelsächsischen Einflüssen in mir aufgenommen. Das prägt ganz sicher meine Stories und die Art, sie zu schreiben, auch wenn mir das oft erst bewusst wird, wenn es Leser*innen erwähnen.

Gudrun Lerchbaum: Ein Vorbild in Bezug auf meinen Schreibstil oder die Themen habe ich nicht. Was aber den Mut angeht, meine Geschichten unabhängig von Genregrenzen oder anderen Schubladen zu denken, bin ich sicher geprägt durch Autor*innen wie Margaret Atwood, Ian McEwan, Jennifer Egan oder Kazuo Ishiguro, ohne mich mit ihnen vergleichen zu wollen. Warum mir auf Anhieb nur Englischsprachige einfallen? S.o. bei Ellens Antwort.

Was gefällt euch am neuesten Buch der jeweils anderen am besten, an „Boom Town Blues“ bzw. „Das giftige Glück“?

Ellen Dunne: Allein die Idee von „Das giftige Glück“ fand ich sofort spannend, als mir Gudrun vor zirka zwei Jahren bei einem Treffen in Wien davon erzählt hat. Sich mit einem gesellschaftlich relevanten Thema wie z.B. dem selbstbestimmten Sterben auseinanderzusetzen, macht mich einfach noch neugieriger auf Romane. Gudruns Schreibstil spricht mich allgemein sehr an, und ich finde, er gewinnt mit jedem Buch dazu. Und ja, ich geb’s zu – den Myko von der Sporenwelt finde ich nerdig genial. Okay, das waren jetzt gleich drei beste Dinge, aber ich bin eben Fan!

Gudrun Lerchbaum: Da mag ich jetzt gar kein Ranking erstellen. „Boom Town Blues“ hat einfach alles, was ein richtig guter Krimi braucht: vielschichtige Figuren, eine spannende Geschichte, die den Blick auf gesellschaftliche Missstände richtet, und originelle Sprache. Und mit Patsy Logan ginge ich jederzeit auf einen Drink.

„Für uns ist die Endlichkeit einfach ganz normal und gehört zum Leben dazu.“ Interview mit Barbara und Alexandra von The Funeralists

Eines ist klar: In Krimis geht es ganz schön viel ums Sterben. In unserem Alltag hingegen scheint das Thema Tod oft ein Tabu zu sein – dabei betrifft es uns natürlich alle. Wir haben uns mit Barbara und Alexandra von The Funeralists unterhalten: Die beiden organisieren Bestattungen, persönliche Abschiede und Feiern jeder Art und stehen Menschen auch nach der Beisetzung mit Trauercoaching, Einzelbegleitungen, Workshops und Events bei. Im Interview erzählen sie, wie es zu ihrer Berufswahl kam und wie es ihnen mit der tagtäglichen Beschäftigung mit dem Thema Tod geht.

Die Frage wird euch vermutlich ständig gestellt – aber wie kommt man darauf, Bestatterin werden zu wollen?

Barbara (Bestatterin): Ursprünglich wollte ich Gastwirtin sein und mich um das seelische und leibliche Wohl meiner Gäste kümmern. Heute bin ich Bestatterin und mache quasi genau das, nur auf einer anderen Ebene. Die Entscheidung für den Beruf habe ich vor einigen Jahren getroffen, als ich einen Bestatter in sein Bestattungsinstitut gehen sah. Da hat es mich regelrecht überkommen, dass das genau mein Beruf ist. Darüber war ich selbst überrascht. Dann habe ich viel Zeit damit verbracht, alles über diesen Beruf zu lernen, und mich um eine Praktikumsstelle beworben. Als das geklappt hat und ich meine ersten Schritte als Bestatterin machen durfte, hat es sich für mich bestätigt: Das ist meine Berufung. Heute bin ich dankbar, mit meiner Arbeit Menschen in einer sehr sensiblen, intensiven Zeit begleiten zu dürfen und sie dabei zu unterstützen, ganz persönliche Wege des Abschieds zu gestalten, selbstbestimmt und individuell. Das schenkt bei all der Trauer doch sehr viel Trost und Wärme.

Alexandra (Trauerbegleiterin): Ich habe damals von einer Freundin erfahren, dass sie ehrenamtlich im Hospiz arbeiten wird und wusste erst gar nicht, was das ist, fand es dann aber total spannend. Schon als Jugendliche interessierte ich mich für Spiritualität, Tabuthemen und hätte am liebsten ein Schülerpraktikum in der Pathologie gemacht. Für mich ist es eher die psychologische Seite, die mich fasziniert: Wie gehe ich mit dem Tod um und der Endlichkeit, etwas, dass sich Trauernde ja immer fragen müssen. Ich arbeitete dann auch ehrenamtlich im Hospiz und wusste einfach, das ist die sinnvolle Aufgabe, die ich immer gesucht hatte: mit Trauernden zu arbeiten als Trauerbegleiterin.

Ihr habt jeden Tag mit dem Tod zu tun – ist er für euch ein ganz normaler Bestandteil des Lebens?

Barbara & Alexandra: Ja, total. Für uns ist die Endlichkeit einfach ganz normal und gehört zum Leben dazu. Wir kommen alle nicht drum herum: als Trauernde, wenn andere Menschen sterben und letztendlich selbst, wenn wir sterben werden. Der Tod hat für uns aber auch schöne, warme, spannende, lustige Seiten. Das heißt nicht, dass wir nicht traurig sind oder uns der Verlust unserer lieben Menschen nicht schmerzt. Im Gegenteil, wir fühlen sehr viel mit. Aber wir finden, dass es uns eher bereichert als mitnimmt. Durch die Gegenwart des Todes bekommt das Leben an sich nochmal eine besondere Tiefe.

Bekommt ihr manchmal auch sehr außergewöhnliche Wünsche für eine Bestattung?

Barbara: Kommt darauf an, wie man „außergewöhnlich“ definiert. Generell ermutigen wir alle, individuelle Wünsche zu äußern oder auch selbst umzusetzen. Durch die nahe und zugewandte Begleitung in der Zeit der Bestattung lernen wir die Menschen sehr gut kennen und da machen wir uns auch viele Gedanken, was zu ihnen passen könnte. Gemeinsam findet man dann den Abschied, der sich nach „genau so“ anfühlt. Ich habe z. B. mal ein Lastenfahrrad gemietet, um einen begeisterten Fahrradfan, der verstorben war, im Sarg von der Friedhofskapelle zum Grab zu fahren. Das Fahrrad hatten wir mit Blumen geschmückt. Hauptsache, es passt zum*r Verstorbenen und zu den Zugehörigen.

Wie würdet ihr unseren gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod beschreiben? Ist das Sterben ein Tabuthema, das mehr Raum bekommen sollte?

Alexandra: Definitiv. Sicherlich es ist unangenehm, sich mit dem eigenen Ende zu beschäftigen, aber die meisten Menschen möchten z. B. zuhause sterben. Tatsächlich sterben aber die meisten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Manchmal ist das nicht unumgänglich, aber wir haben einerseits verlernt, dem Sterben seinen natürlichen Lauf zu lassen, und andererseits drücken wir unsere Wünsche nicht klar genug aus bzw. legen sie nicht richtig fest, z. B. indem wir Vollmachten erteilen oder Patientenverfügungen erstellen. Es wandelt sich aber langsam und alleine in den letzten Jahren – auch durch Corona – ist das Thema ein wenig mehr in den Mainstream gerückt. Es gibt nun z. B. immer am 8. August den „Memento Tag“, einen nationalen Aktionstag, der sich mit Endlichkeit, Tod und Sterben beschäftigt, und bei dem jede*r mitmachen kann.

Eure Meinung zum Thema Tod und Humor: Hilft Humor bei der Trauer? Ist er fehl am Platz?

Barbara: Auch in der Trauer und in der Bestattung wird oft gemeinsam gelacht, nie respektlos natürlich, aber Freude oder lustige Erinnerungen sind ein ganz natürlicher Bestandteil des Abschieds. Es ist wichtig zu spüren, wann es passt und wann nicht. Aber bisher haben wir mit jeder Familie, die wir begleitet haben, auch viele humorvolle Momente erlebt. Das hilft in all der Schwere und schafft Verbindung zu dem verstorbenen Menschen, aber auch zu den Lebenden. Letztendlich zeichnet der Tod, wie auch das Leben, ein Mosaik aller Emotionen, da ist Humor auch ein wichtiger Teil.

Alexandra: Ich sehe das genauso. Ich habe einen sehr schwarzen Humor, da muss man vielleicht mal aufpassen, dass nichts falsch verstanden wird. Aber wir entwickeln schnell ein Gefühl dafür, wie weit wir denselben Humor mit Trauernden teilen. Wir lachen doch im Leben auch gerne, warum nicht am Lebensende? In meiner Geburtsstadt heißt es immer „Ein Leichenschmaus, der nicht lustig war, war kein guter …“

Lest oder schaut ihr euch in eurer Freizeit gern Krimis an – oder braucht ihr da eine Pause vom Thema Tod?

Barbara & Alexandra: Wir persönlich lesen eigentlich nur Sachbücher rund um die Themen Tod, Trauer und Sterben. Das Leben ist uns manchmal Krimi genug. 🙂 Den Hype um diese ganzen Mordserien können wir teilweise nachvollziehen, teilweise nicht. Wahrscheinlich ist es genau deshalb so spannend für viele, da der Tod im Alltag doch noch in Teilen ein Tabu ist. Da hilft die Fiktion, mal auf sicherer Distanz in diese Richtung zu schauen, ohne selbst betroffen zu sein. Spannend ist das natürlich …

„Wenn ich alles immer nur bierernst nehmen würde, könnte ich nur noch weinen.“ Interview mit Franziska Singer und Amrei Baumgartl vom Podcast „Darf’s ein bisserl Mord sein?“

„Darf’s ein bisserl Mord sein?“ fragen Franziska Singer und Amrei Baumgartl ihre Hörer*innen jeden Montag in ihrem gleichnamigen True-Crime-Podcast. Mit viel Wiener Schmäh sprechen die beiden über kuriose, ungelöste und längst vergessene Kriminalfälle aus der ganzen Welt und quer durch die Geschichte. Alles, was in den Montagsfolgen keinen Platz findet, wird am Donnerstag im „Extrablatt“ besprochen: Skurriles, Lustiges und Brandaktuelles – Hauptsache mit Bezug zu Verbrechen und Kriminalität.

Franziska, wie und wo findest du die Fälle, über die ihr im Podcast sprecht?

Franziska: Ich habe 2018 begonnen, eine Liste von Fällen anzulegen, über die ich gerne mehr erfahren möchte. Diese Liste besteht nun aus etwa 300 Kriminalfällen aus der ganzen Welt, nach Ländern geordnet. Die sehe ich durch, und schau dann, was mich gerade besonders interessiert. Das sind zwar hauptsächlich Mordfälle, aber auch andere Verbrechen befinden sich darunter, wie der eine oder andere Bankraub. Ich versuche immer, etwas zu finden, das man noch nicht 1000-mal gehört hat.

 

Welche Fälle gehen euch besonders nahe?

Franziska: Fälle von schwerer Folter, oder wenn Kinder betroffen sind – das ist für mich schwer zu ertragen. In einem Fall, wo beides zusammenkam, habe ich bei der Recherche auch abgebrochen, und mir einen anderen Fall ausgesucht.

Amrei: Fälle, wo Kinder die Leidtragenden sind, sind für mich besonders schwer auszuhalten. Und Fälle, wo Täter*innen über einen langen Zeitraum ihre Verbrechen akribisch geplant und durchgeführt haben – diese eiskalte Berechnung und Vorgehensweise schockiert mich immer wieder.

 

Gibt es manchmal Täter*innen, für die ihr Sympathie empfindet?

Franziska: Das ist schwer zu sagen, finde ich. Jede*r hat die Möglichkeit, sich für oder gegen die Kriminalität zu entscheiden. In ganz seltenen Fällen kommt dann aber schon so ein Funke Mitleid bei mir auf. Oder ab und an sagen wir auch: Ja, das kann ich verstehen. Da geht es aber eher darum, dass sich jemand, der selbst Opfer wurde, beginnt, zu wehren.

Amrei: Sympathie für Täter*innen und deren Taten definitiv nicht – es kann sich aber durchaus eine gewisse Form von Empathie einschleichen bei manchen Fällen. Wenn z.B. aus verzweifelter Ohnmacht oder Notwehr gehandelt wird, oder wenn die Biografie der Täter*innen eine sehr traurige ist. Das entschuldet dann zwar noch immer keine Form von Gewalt (Notwehr ausgenommen), zeigt aber auch ganz deutlich, dass eine simple Unterteilung in „Gut“ und „Böse“ nicht wirklich ausreicht.

 

Ihr beschäftigt euch mit so vielen realen Kriminalfällen. Habt ihr das Gefühl, dass das Justizsystem gut funktioniert, was den Umgang mit Täter*innen oder den Umgang mit Opfern betrifft?

Franziska: Was ich gar nicht nachvollziehen kann, ist, wie immer noch mit Stalkern oder in Fällen sogenannter häuslicher Gewalt umgegangen wird. Hier gibt es anscheinend immer noch keinen ausreichenden Schutz für die Opfer! Auch für Straftaten, die über das Internet begangen werden, gibt es oft noch nicht ausreichende Möglichkeiten der Verfolgung, weil es kein Rechtssystem gibt, das in jedem Land dasselbe ist. Und so seltsam es klingt, aber wenn wir das All bereisen, müssen wir auch einen Weg finden, Straftaten, die dort geschehen, zu verfolgen …

Amrei: Wo es auf jeden Fall Nachbesserungsbedarf gibt, ist der Umgang mit Opfern von häuslicher Gewalt. Ein ausgesprochenes Betretungs- oder Annäherungsverbot, zum Beispiel, hindert Täter*innen ja oftmals nicht an weiterer Gewaltausübung und bietet den Opfern definitiv zu wenig Schutz.

 

Braucht ihr einen Ausgleich zum Thema True Crime? Wird euch die Beschäftigung mit Mord und Kriminalität manchmal zu viel?

Franziska: Mir hilft es sehr, wenn wir nach der Podcast-Aufnahme miteinander spazieren gehen, oder gemeinsam etwas essen, und den Fall noch einmal Revue passieren lassen. Und dann über etwas ganz anderes sprechen, um wieder auf andere Gedanken zu kommen! Darum haben wir auch das „Darf’s ein bisserl Mord sein? – Extrablatt“, das jeden Donnerstag erscheint, wo wir durchaus auch über lustige Fälle sprechen – wie z.B. eine Ratte, die jemandem das Frühstück gestohlen hat.

Amrei: Ein Ausgleich ist durchaus sehr wichtig und auch notwendig. Deswegen schließen wir ja auch jede Episode mit „Was Schönes zum Schluss“ ab, wo wir uns und unsere Hörer*innen auf ganz andere und leichtere Gedanken bringen. Ganz wichtig ist auch der gemeinsame Austausch mit Franziska – und natürlich ein achtsamer Umgang mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen. Manchmal braucht man dann einfach ein Stückchen Schokolade mehr. 😉

 

Passen Tod und Humor zusammen?

Franziska: Auf jeden Fall. Eine schreckliche Sache wird nicht weniger schlimm dadurch, dass man keine Witze darüber macht. Wenn ich alles immer nur bierernst nehmen würde, könnte ich nur noch weinen. Beim Podcast ist es uns aber wichtig, uns nie auf Kosten der Opfer lustig zu machen. Wir können aber durchaus mal über das Versagen der Ermittler einen Scherz machen – oder, wenn ein Täter sich besonders tollpatschig angestellt hat.

Amrei: Das eine schließt das andere ja nicht aus. Wir legen bei unserem Podcast großen Wert auf respektvollen Umgang mit den Opfern und deren Angehörigen. Humor und eine gewisse Form von Leichtigkeit sind meiner Meinung nach allerdings äußerst wichtige Blickwinkel, um sich nicht ausschließlich auf Tragik und Tristesse zu fokussieren.

 

Mehr von Franziska und Amrei kannst du auf allen gängigen Podcastplattformen und natürlich auf ihrer Webseite hören: www.darfseinbisserlmordsein.com/podcast

Bei Instagram findest du sie unter @darfseinbisserlpodcast.

Kriminalbiologe Mark Benecke im Interview zum Spurenlesen, zu genialen Ermittler:innen und Zombies

Diesen Mann hätten viele Ermittler:innen in Krimis gerne an ihrer Seite: Mark Benecke. Klingelt da was? Ja genau, das ist der Kriminalbiologe, der mit seinen forensischen Forschungen international Furore macht. Vielen ist er durch seine Zusammenarbeit mit diversen Tierchen bekannt. Nicht umsonst nennt man ihn auch „Herr der Maden“. Die finden manche possierlich, die anderen eher … nun ja, krabbelig-gruselig. Andere wiederum finden am gruseligsten, dass Mark Benecke auch mal Adolf Hitlers Schädel auf dem Tisch hatte. Interessant und faszinierend ist seine Arbeit allemal. Doch Marks Expertenwissen reicht weit über den Seziertisch hinaus: Er ist auch Donaldist, Mitglied der Deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft und der Transylvanian Society of Dracula. Nina Gruber hat sich mit ihm über Sherlock Holmes, das verkorkste menschliche Verhältnis zum Tod, über Zombies und Bücherskorpione unterhalten.

Mark, Sherlock Holmes und du, ihr seid praktisch Berufskollegen. Du bist Mitglied in der Deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft. Was an seiner Herangehensweise gefällt dir besonders gut?

Alle kriminalistischen Regeln, die ich anwende, finden sich bei Sherlock Holmes. Das fand ich, als ich es bemerkte, zunächst seltsam und irgendwie gruselig, jetzt aber saucool. Während in Krimis oft das Einschluss-Verfahren verwendet wird, ist es bei Holmes oft andersrum, er schließt also aus, was nicht sein kann. Das ist wichtig, da es so rum genauso beweiskräftig ist: Erst wenn man alles ausgeschlossen hat, was nicht sein kann, muss das, was übrigbleibt, stimmen — und jetzt kommt’s: egal, wie unwahrscheinlich es ist.

In Krimiserien siehst du meistens nur Einschlüsse. Detektiv:innen oder Polizistin:innen laufen rum und kommen nach und nach durch Spuren, die sie finden, oder durch Zeug:innenaussagen der Sache näher. So funktionieren Krimis. Aber das Ausschlussverfahren bedeutet, dass man erst mal ausschließen muss, was nicht sein kann. Und zwar nicht durch Denken, sondern durch echtes Untersuchen.

Wenn zum Beispiel hier in der Wohnung eine Leiche gefunden wird, kann ich fragen, von wem die Erbsubstanz unter den Fingernägeln der Leiche ist, aber ich könnte auch genauso gut fragen: Wer kann es nicht gewesen sein? Es ist egal, wie naheliegend, lebensnah, vernünftig, logisch, planbar oder sonst etwas die Lösung ist. Deswegen sind die Sherlock-Holmes-Geschichten wirklich gut. Es gibt ja moderne Krimiautor:innen und dicke Anmerkungs-Bücher dazu, die kritisieren die Brüche in den Geschichten. Das finde ich aber nicht so schlimm. Ich glaube eher, dass die modernen Krimiautor:innen nicht raffen, welche Regeln dahinterstecken, denn Sherlock Holmes ist ja Chemiker.

Das bringt mich auf die Frage, ob sich manchmal Krimi- oder Drehbuchautor:innen bei dir melden, um sich Rat zu holen zur Plausibilität der Abläufe in ihren Büchern und Filmen?

Ja, sehr oft. Das ist aber meist ein einseitiges Vergnügen, weil ich erstens wirklich immer gratis arbeiten soll und zweitens letztlich immer die gute Geschichte entscheidet: Liebe, Hass, Rache, solche Sachen, die mich nicht interessieren. Die kriminalbiologischen Spuren sind nur die Kirsche auf der Sahne auf dem Eis auf den bunten Streuseln, also eigentlich verzichtbar. Mit manchen Autor:innen mache ich daher einfach Quatsch, der zu deren Handlungsgerüst passt. Fürs Fernsehen habe ich beispielsweise mal einen Käfer, dessen Gift nach einer bestimmten Zeit einen Herzinfarkt auslöst, erfunden: Das sah das Drehbuch ohnehin vor. Den lateinischen Namen habe ich dann ganz korrekt erfunden. Fanden alle gut, nachdem sie eingesehen haben, dass sie sich eh kein bisschen für die Tatsachen interessieren, sondern für eine gute Geschichte.

Dein Team besteht nicht nur aus Menschen, auch andere Tiere helfen mit bei eurer Arbeit. Welches Tier sollten sich Ermittler:innen in Kriminalromanen an ihre Seite wünschen?

Hängt von der Figur ab. Kauzigen Menschen würde ich vielleicht einen Papagei empfehlen, mit dem sie „sprechen“ können, Vielreisenden eher was Kleineres und Transportables, etwa Fauchschaben. Artgerecht ist aber beides nicht, daher

Dipl.-Biol. Dr. rer. medic., M.Sc., Ph.D. Mark Benecke ist seit über 20 Jahren als Kriminalbiologe im Einsatz und Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren. Darüber hinaus publiziert Mark Benecke wissenschaftliche Artikel, Sachbücher und Experimentierkästen, ist Landesvorsitzender von DIE PARTEI in Nordrheinwestfalen, Mitglied des Vereins Pro Tattoo und hat verschiedene musikalische Projekte am Laufen. – Foto: Thomas van de Scheck

Viele von uns haben Angst, dass mit dem Tod alles zu Ende ist: nie mehr Popcorn essen, nie mehr dies, nie mehr das. Dabei wird’s körperlich nach dem „Ende“ ja erst so richtig interessant: Da finden körperliche Veränderungen in einem beachtlichen Tempo statt. Da verändern sich Form und Farbe, Bakterien feiern Partys, die verschiedensten Tiere tun sich gütlich an unserem Körper, da entstehen Gase und Gerüche. Rückwärts und im Zeitraffer vom lebenden Körper zum Humus, der dann wieder zu was anderem wird. Ziemlich cool eigentlich. Was man aus der Abfolge und den Gesetzmäßigkeiten dieser Vorgänge für die Zeit vor dem Tod ablesen kann, damit beschäftigst du dich in deinem Berufsalltag. Die körperliche Ebene des Sterbens und des Todes ist für dich eine ganz natürliche. Keine, vor der man Angst oder Ekel empfinden muss. Wie aber schaut es mit der „menschlichen“ Komponente dahinter aus? Mit den Geschichten und Angehörigen hinter den Körpern auf dem Seziertisch? Welchen Umgang hast du dabei für dich gefunden?

Sehr offen reden und sehr genau hinschauen, was die Menschen wirklich wollen. Nicht über Gefühle reden, aber sie erkennen. Beispiele: Manche haben einen schlimmen Ehekrach, wenn ihr Kind stirbt („wäre es auf eine andere Schule gegangen, wäre alles anderes gewesen, aber Du wolltest ja unbedingt …“), manche wollen nach einem Sexualdelikt nicht die „Dummen“ oder Schwachen sein, manche wollen im Knast einfach nur weiter von ihrer Mutter oder Familie besucht werden.

Diesen Menschen sind die Spuren weniger wichtig, hier reichen oft schon Gespräche, um den Verlauf des bisher bekannten sachlich einzuordnen. Wie aussagekräftig ist der genetische Fingerabdruck in diesem Fall? Warum interessierte sich niemand für die Kleidungsfasern?

Andere hingegen möchten wirklich untersuchen lassen, ob die Erbsubstanz auf diesem neu aufgetauchten Gegenstand vom vor Jahren verschwundenen Enkel stammen kann und ob das Kind folglich vielleicht doch noch lebt. Manche streben eine Wiederaufnahme ihrer Gerichtsverhandlung an, aber dazu müssen neue Spuren her, und was „neu“ ist, entscheidet das Gericht, nicht der Verstand. Welche Spuren gibt es also überhaupt noch, die nicht schon rechtlich „verbraucht“ sind? Es gibt auch Täter:innen, die einfach nur reden wollen, weil alle sie für Monster halten.

Daher: Immer bei der Sache bleiben, immer „eindampfen“, um was es wirklich geht und was an Spuren vorhanden ist und nützt. Die Gefühle dürfen ruhig zu uns überspringen, aber sie dürfen keine fachlichen oder sachlichen Entscheidungen beeinflussen. Niemals, egal, warum und wie.

Wir Menschen schwimmen doch eh in Ozeanen aus Scheiße: Kriege, Völkervernichtungen, Ausgrenzung, Machtspielchen, Wichtigtuerei zu Lasten anderer … Wenn wir das alles an uns ran lassen würden, würde nichts mehr funktionieren. Wer noch nie die Aussagen der Menschen im Auschwitz-Prozess in Frankfurt/Main oder von Eichmann selbst und den Zeuginnen und Zeugen 1961 in Jerusalem gehört hat: bitte schön. Mal in Ruhe und ganz lange anhören. Ist alles gratis online. Dann nach vierzig Stunden, das würde ich mal als untere Grenze ansehen, prüfen, welche messbaren, prüfbaren Spuren sich außerhalb der sehr starken Gefühle ergeben und welche nicht. Wer das kann, hat verstanden, was ich meine.

Ich hab gesehen, dass es eine Totenmaske von dir gibt, die man vergoldet und signiert erwerben kann. Ist das für dich eine humorvolle Art, mit dem Tod umzugehen? Ist das die shiny, sexy Seite des Todes? Ist tot das neue lebendig?

Wüsste ich auch gerne, ist das totale Herzensprojekt unserer Grafik-Nerdin Satanka. Sie hat mir monatelang damit in den Ohren gelegen und die Maskenform professionell fertigen lassen, bemalt sie dann selbst und gießt sie auch selbst mit Spezialgips aus. Was die daran so liebt, weiß nur sie. Es gibt übrigens noch eine schöne Geschichte zu Totenmasken, einfach mal nach der Unbekannten aus der Seine (dem Fluss) googeln

Ich fand die Bilder vom Abdruckmachen witzig. Das sah aus, als hättest du warme Käsesauce mit Minzfrosting im Gesicht. Wie hat es sich angefühlt?

Nun, die Damen — Tina, meine Kollegin, Ines, meine Frau und ebenfalls Mitarbeiterin, sowie Satanka, die Grafikerin — haben nur Faxen gemacht. Ich bestimme ja sonst, was passiert. Mit einer dicken Schicht im Gesicht, blind und darauf angewiesen, dass das Atemloch nicht verschlossen wird, hatten sie mit mir ihren Spaß.

Du bist Mitglied der Transylvanian Society of Darcula, beschäftigst dich mit den Verwesungserscheinungen und der Kulturgeschichte, die hinter den Phänomenen Vampir und Zombie stecken. (Wer wissen möchte, woran man einen echten Zombie erkennt oder warum manche Tote einfach nicht still liegen bleiben können, sollte sich mal hier und hier umsehen.) Und du zeigst: Eigentlich sind das ganz harmlose Zeitgenoss:innen. Doch wir Menschen haben ein gespaltenes Verhältnis zu Zombies, Geistern und Vampiren: Wir fürchten sie, wir finden sie faszinierend, manchmal auch absurd und komisch, wir ekeln uns vor ihnen, gleichzeitig üben sie Anziehungskraft aus. Woher, glaubst du, kommt unsere komplizierte Beziehung zu ihnen?

Ich bin sogar Weltpräsident der Transsylvanian Society seit unser geliebter Chef gestorben ist. Die komischen Beziehungen sind vielfältig und ändern sich. Zombies waren zwischendurch mal ein Auffanggefäß für die Angst vor Migrant:innen, die ja angeblich auch gefährlich sind und langsam, aber sicher anrücken. Früher standen sie auch mal für psychisch Kranke, die wir oft nicht verstehen wollen, oder einfach die Angst vor Pandemien oder Epidemien. Bei Geistern schwingt oft der Jenseitsglaube mit, aber je nach Kultur verschieden: Im angloamerikanischen Raum haben die Seelen oft noch eine Rechnung offen, in Deutschland geistern sie eher ziellos herum und machen lieber ungestört im Jenseits ihr Ding. Zu Vampiren habe ich schon mehrere Fachbücher geschrieben, das ist unerschöpflich, ich sage nur Liebe, Schmerz, Hoffnung und ewige Bindung.

Noch eine letzte Frage zum Schluss: Was hat es mit dem Bücherskorpion auf sich? Ist der cool? Sollten wir Verlagsmenschen uns T-Shirts mit ihm drucken lassen?

Jawohl! Er ist supercool, und alle Menschen sollten die hübschen Tiere nicht nur auf Shirts, sondern auch lebend in ihren hoffentlich alten und verstaubten Bibliotheken haben. Die Tiere brauchen was zu fressen …

Ein Sticker stellt sich vor – Publikumsliebling Siegfried Seifferheld ergreift das Wort

Tatjana Kruse, auch bekannt als: ‚Die mit dem Gartenzwerg tanzt‘, hat rund um den stickenden Ex- Kommissar aus Schwäbisch Hall einen unvergleichlich komischen Kosmos geschaffen. Wir haben Siggi Seifferheld gebeten, sich selbst vorzustellen.

Die Meisterin der Krimödie herself: Tatjana Kruse versteht es wie keine zweite deutsche Autorin, Spannung und Lachtränen zu verquicken und in Buchform zu gießen. Foto: © Jürgen Weller

Mit Nadel und Faden gegen das Böse

Grüß Gott, mein Name ist Siegfried Seifferheld, aber nennen Sie mich ruhig Siggi, mit Förmlichkeiten hab ich’s nicht so. Ich bin Kommissar – na ja, Ex-Kommissar, seit mich bei einem Banküberfall eine Kugel in der Hüfte traf, die nicht herausoperiert werden konnte.

Jetzt führe ich meinen Hund Onis mit der Gehhilfe Gassi. Aber man kann nicht einfach von 100 auf 0 zurückfahren, wenn man vierzig Jahre lang gegen das Böse gekämpft hat. Also zuckt meine Ermittlernase auch weiterhin, wenn in Schwäbisch Hall, wo ich wohne, ein Kapitalverbrechen geschieht. Was zugegebenermaßen nicht oft vorkommt, weshalb ich in meiner Freizeit angefangen habe zu sticken. Sticken, ohne r. Wie in Sinnsprüche-auf-Kissenbezüge-Sticken. Anfangs habe ich das noch heimlich getan, weil da, wo ich herkomme, gilt das Sticken immer noch als Frauensache. Mittlerweile habe ich aber sogar meine eigene, interaktive Radiosendung „Sticken für Männer – echte Kerle sticken ohne Fingerhut“.

Einmal Schnüffler, immer Schnüffler

Meine Leidenschaft gehört immer noch dem Aufklären von Straftaten, kurzum: dem Schnüffeln. Auch wenn die Frauen in meinem Leben mir das ausreden wollen – ich sei zu alt und nicht mehr fit genug. Aber man ist nie zu alt für das, was man mit Herzblut macht. Das binde ich meiner Frau Marianne (taff), meiner Tochter Susanne (auch taff, Managerin bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall) und meiner Schwester Irmi (noch viel tafferer, Spitzname: die Admiralin) dann natürlich nicht auf die Nase. Meistens, wenn ich die Fährte eines Verbrechers aufnehmen will, erzähle ich ihnen, ich würde mit den Jungs von der Männerkochkursgruppe der Volkshochschule grillen. Oder etwas in der Art. Unglücklicherweise kommen sie mir immer auf die Schliche. Denn ich bin zwar ein alter Hase, aber manchmal glaube ich, das Hobby der Schicksalsgöttinnen ist es, mir Knüppel zwischen die Beine zu werfen …

In „Stick oder stirb!“ will Seifferheld den Insassen der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall das Sticken beibringen, gerät indes aber mitten in den Erbfolgekrieg einer russischen Mafiafamilie und wird bei einer spektakulären Flucht als Geisel genommen. Diesmal geht es nicht nur darum, einen Fall zu lösen, dieses Mal geht es um sein Leben!

Schrullig, liebenswert, Seifferheld: Zum bereits siebten Mal ist Siggi Seifferhelds Spürnase gefragt, um in Baden-Württemberg wieder Recht und Ordnung zu installieren. Das Must-have für alle Freund*innen der Krimikömodie!

 

Der Club der toten Sticker“ fällt ein Männerstickkränzchenmitglied nach dem anderen tot um, gemeuchelt mit einer Präzisionsschleuder. Wer tut sowas? Ein Stricker mit rrr, also einer aus dem gegnerischen Lager? Oder ein Traditionalist, der es nicht erträgt, wenn Männer diese ehemalige Frauen-Domäne für sich erobern? Und wird er erst aufhören, wenn auch Siggi Seifferheld, der prominenteste unter den Männer-Stickern, tot ist? Oder ist Siggi selbst größenwahnsinnig geworden und will die Konkurrenz ausschalten?
Von Letzterem gehen leider die Ex-Kollegen von der Mordkommission aus, weil: Alle Indizien sprechen gegen Siggi. Herrje! Da muss er den Täter wohl wieder einmal selbst aufspüren …

 

„Die Fälle werden nicht innerhalb einer Dreiviertelstunde gelöst“ – Gespräch mit Landeskriminalbeamtin Franziska Tkavc

Auch, wenn sie uns zuweilen schlaflose Nächte bescheren und uns nach Luft schnappen lassen: Wir lieben sie, die spannenden Fälle unserer Protagonist*innen. Doch wie realistisch ist eigentlich die Polizei- und Ermittlungsarbeit, in die uns Kriminalromane mitnehmen? Und was empfiehlt eine Kriminalbeamtin, damit wir uns im Alltag sicher fühlen können? Linda Müller hat sich mit Franziska Tkavc über ihre Arbeit unterhalten.

Franziska Tkavc beschäftigt sich im Landeskriminalamt Wien unter anderem mit Gewaltprävention und Frauensicherheit. (c) privat

Liebe Franziska, so einen Tag am Landeskriminalamt stelle ich mir sehr aufregend vor – entspricht das der Wirklichkeit? Wie kann man sich so einen klassischen Arbeitstag von dir vorstellen, falls es so einen überhaupt gibt?

Ach, der klassische Arbeitstag im LKA ist genauso geprägt von viel Administration und manchmal gefühlter „Eintönigkeit und Unaufgeregtheit“, wie in jedem anderen Job auch. Was für viele Außenstehende spannend ist, ist wie in jedem anderen Beruf auch, Routine. Natürlich lassen einen die menschlichen Schicksale nie emotional unberührt, nur sind sie für uns halt unser täglich Brot, wir müssen sie „abgeklärt“ betrachten, um gute Arbeit leisten zu können, und sind daran gewöhnt.

Gewaltprävention zum Beispiel ist ein breites Betätigungsfeld meinerseits, und im Zuge von Sicherheitsschulungen für Institutionen, die mit gewaltbereitem und aggressivem Klientel zu tun haben, muss ich mich immer wieder mit verschiedenen Situationen dieser Art auseinandersetzten – aber da ich mich regelmäßig damit beschäftige, bin ich darin routiniert.

Hast du viele Kolleginnen*, oder bist du eher von Kollegen* umgeben? Braucht man als Frau* beim LKA besonders viel Durchsetzungsvermögen?

In der Gruppe Kinderschutz wie auch in der Opferschutzgruppe sind sogar mehr Kolleginnen* tätig als Kollegen*. Generell hält sich aber die geschlechterspezifische Aufteilung in der gesamten Kriminalprävention so ziemlich die Waage. Und was das Durchsetzungsvermögen betrifft, so kommt es – wie überall anders ja auch – auf die eigene Persönlichkeit an

Eines der Spezialgebiete ist Sicherheit für Frauen*. Würdest du aufgrund deiner Erfahrung sagen, man muss sich vor dem Unbekannten in der Dunkelheit fürchten, oder lauern die Gefahren ganz woanders?

Jede Frau* (wie aber auch jeder Mann*) hat ein individuell empfundenes Sicherheitsgefühl. Dadurch machen uns verschiedene Dinge/Situationen/Menschen/Umgebungen unterschiedlich unangenehme Gefühle, bis hin zur Angst. Natürlich ist die Angst vor dem „Fremden“ oftmals erheblich größer als vor der unmittelbaren Umgebung. Was sehr trügerisch sein kann, da es gerade auch in unserem näheren Umfeld oder in unserem Privatbereich zu gefährlichen Situationen/Unsicherheiten kommen kann. Nur nimmt man es leider oftmals viel zu spät wahr oder ist man sich dessen nicht so bewusst.

Kriminalprävention ist ein wichtiger Bestandteil deines Arbeitsfeldes. Wenn du unseren Leser*innen einen Tipp geben könntest, wie sie sich im Alltag vor gefährlichen Situationen schützen können, welcher wäre das?

  • Aufmerksam sein!
  • Auf sich und sein eigenes Bauchgefühl vertrauen, es nicht als „mimosenhaft“, „überempfindlich“ oder gar „unmännlich“ abtun. Dieser natürliche Instinkt ist aufgrund von verschiedenen Einflüssen im Laufe der Jahrhunderte immer weiter degeneriert, früher jedoch hat er unseren Vorfahren das evolutionsbedingte Überleben gesichert …
  • Sich mit sich selbst gut auseinandersetzen und dadurch präventive Voraussetzungen schaffen. Dies kann ganz profan sein: zum Beispiel eine Situation, die eigenen Möglichkeiten nur einmal gedanklich durchgehen (wie würde ich agieren, was könnte ich da tun); den Platz in der U-Bahn anders wählen; auf die eigene Körperhaltung, das „richtige“ Tragen der Handtasche etc. achten; im Freundeskreis lernen, NEIN zu sagen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben …

Du kommst zwangsläufig mit Gewaltverbrechen in Kontakt und hast sicherlich schon viel Furchtbares gesehen. Würdest du sagen, das hat dich privat vorsichtiger gemacht, weil du weißt, was passieren kann?

Vorsichtiger vielleicht nicht. Ich würde eher sagen, bewusster.

Kannst du uns verraten, was sich an der Polizeiarbeit in Kriminalromanen und der echten am meisten unterscheidet?

  • Die Fälle werden nicht innerhalb einer Dreiviertelstunde gelöst.
  • Das berühmte und oft zitierte Massenspektrometer bietet nicht auf alle technischen Fragen die ultimative Antwort.
  • Anders als die Protagonist*innen in einem Kriminalromanen erledigen die ermittelnden Beamt*innen nicht nebenbei auf eigene Faust Wohnungsöffnungen oder entschärfen Bomben (dafür gibt es Sonderkommandos bzw. den Assistenzbereich).

Auch wenn es noch so vergnüglich sein kann, einem literarischen Verbrechen nachzuspüren: In der Realität können die Ratschläge von Franziska extrem hilfreich sein, um unangenehme Situationen zu vermeiden. Also: Nicht fürchten, aber aufmerksam sein, sich selbst präventiv auf angsteinflößende Situationen vorbereiten, möglicherweise Vorkehrungen treffen, zum Beispiel einen Taschenalarm einstecken oder einen Selbstverteidigungskurs besuchen. Damit gefährliche Momente dort bleiben, wo einem maximal Schlafmangel wegen durchlesener Nächte passieren kann: zwischen schön gestalteten Buchdeckeln!

„Da gibt es kein Entkommen!“ – Autor Thomas Raab im Interview

Der Metzger hat ja schon einiges erlebt. Aber dass ihn seine Danjela während ihrer Hochzeit kurz vor dem Ja-Wort stehen lässt und spurlos verschwindet, das zieht ihm wirklich den Boden unter den Füßen weg. Auf der verzweifelten Suche nach seiner Braut kommt der Metzger einem skrupellosen Familienclan in die Quere, trifft auf einen Kopflosen, der ihm Kopfzerbrechen bereitet, auf einen Schlägertrupp, der noch ganz anderes zerbrechen will, und wird der persönliche Engel des Elefantenbullen Charlie.
Des Metzgers Schöpfer, Autor Thomas Raab, hat seiner Lektorin Linda Müller mehr über die Arbeit am neuen Fall von Willibald Adrian und über das Verhältnis Raab-Metzger verraten.

Der Metzger begleitet dich mittlerweile seit vielen Jahren, seit dem letzten Band hat es aber eine längere Metzger-Pause gegeben. Habt ihr euch vermisst? Oder hat euch der Abstand gutgetan?

Beides. Es tut gut, jemanden zu vermissen, da spürt man dann erst, wie groß die Liebe ist. Gibt ja schließlich auch Leut’, die siehst du nie wieder, und es geht dir dabei genau nix ab.

Thomas Raab © Fotowerk Aichner

Auf jeden Fall vermisst haben den Metzger seine Leser*innen. Du hast ja bekanntlich einen sehr guten Draht zu ihm. Möchte er eventuell seine Leserschaft über dich grüßen?

Da will ich jetzt meiner Leserschaft nicht nahetreten, aber den Metzger unterscheidet etwas sehr Wesentliches von mir: Er legt auf Aufmerksamkeit keinen Wert, und nach diesem Abenteuer wird er froh sein, so gut untertauchen zu können wie nur möglich – wenngleich ich ihm, zugegeben, beim Untertauchen sehr gern zuschauen würde. Mal sehen, ob sich das einrichten lässt. Ich jedoch kann meine Leserschaft grüßen und mich aufrichtig für all die gemeinsamen Jahre bedanken. Ein Wunder ist das, so lang zusammen sein …

Grundsätzlich ist Willibald Adrian ja kein großer Freund von technischen Neuerungen, ich würde fast meinen, kein großer Freund von Veränderung generell. In „Die Djurkovic und ihr Metzger“ allerdings wird er unfreiwillig zum YouTube-Star. Kannst du uns verraten: Ist der Metzger jetzt Influencer?

… Maximal, wenn er die Grippe hat. Ansonsten denk ich, wünscht er sich eher einen Zusammenbruch des weltumfassenden Netzwerks, auf dass die unmittelbare Umgebung wieder enger an die Menschen heranrückt. Je näher das WWW, desto entfernter werden uns die eigenen vier Wände inklusive Insassen

Es ist, was es ist, sagt der Metzger. Doch dann läuft ihm die Braut davon. Danjela Djurkovic, Licht des Metzger-Daseins, kehrt ihrem Willibald den Rücken und türmt mit einem fremden Mann. Warst du beim Schreiben selbst schockiert und hast mitgelitten?

Nein, schockiert war ich nicht, weil mir ja sofort klar war: Die Danjela veranstaltet ein derartiges Schlamassel niemals aus Lieblosigkeit. Es muss also etwas Gravierendes dahinterstecken. Ja, und ab dann hab ich mit mir selber mitgelitten, denn die eigenhändig eingebrockte Suppe musste ich erst einmal auslöffeln, sprich herausfinden: Was war die Ursache?

Ein Thema, das deinen neuen Roman prägt, sind die Machenschaften von mafiösen Familienclans. Hat dich bei der Recherche etwas besonders überrascht?

Ja, im Grunde alles, denn was weiß man schon groß darüber? Und diesbezüglich hat mich die Aussage von David Ellero, Ex-Mafiabekämpfer bei Europol, am meisten erschüttert: „Die echte Organisierte Kriminalität ist jene, die niemand mitbekommt.“ Öffentlichkeit gibt es erst, wenn sich Clans intern bekriegen oder verschiedene Clans verschiedener Länder im Ausland aneinandergeraten, sich das Geschäft abgraben. Und das ist ein minimaler Prozentsatz.

Wir alle wissen: Nach dem Metzger ist vor dem Metzger. Ist es zu früh, um dich zu fragen, ob ihr beide schon über einen neuen Fall nachdenkt?

Eine schöne Frage, und in diesem Fall ziemlich einfach zu beantworten: Der nächste Fall ist eigentlich am Ende ziemlich aufgelegt, da gibt es kein Entkommen …

 

 

Erneut wirft Thomas Raab seinen Metzger mitten hinein in einen außergewöhnlichen Kriminalfall – und brilliert einmal mehr: wortwitzig, überraschend, klug, einfach genial!

Hol dir Die Djurkovic jetzt sofort in deiner Buchhandlung! Denn dass sie schneller weg sein kann, als einem lieb ist, weiß der Metzger am allerbesten … 

„Magst auf ein Bier gehen?“ Das wolltet ihr Franz Gasperlmaier schon immer sagen …

Jenseits der 50 (wie weit jenseits, verraten wir hier nicht, es wäre ihm wahrscheinlich nicht recht), Familienvater, Polizist. Zurückhaltend (man könnte sagen schüchtern, aber das wäre ihm wohl auch nicht recht), zuweilen mit einem ausgeprägten Talent fürs Ins-Fettnäpfchen-Treten. Ehrlich, denn mit dem Lügen ohne rot zu werden hat er so seine Schwierigkeiten. Hohe Geschwindigkeiten sind nicht seine Sache (auch nicht der Fahrstil der Frau Dr. Kohlross), wenn es aber notwendig ist und vor allem, wenn es um Menschenleben geht, kann er blitzschnell handeln. Das ist Franz Gasperlmaier, der seit 2011 acht Fälle gelöst und sich in eure Herzen ermittelt hat.

Wir haben euch in unserem Newsletter gefragt, was ihr Franz Gasperlmaier schon immer sagen wolltet. Und das war gar nicht wenig! Die Freude über die vielen Zuschriften möchten wir mit euch teilen, indem wir unsere Lieblingstexte hier versammelt haben. Einige von euch haben Franz Gasperlmaier beglückwünscht, andere beratschlagt, wieder andere hatten nur eine simple Frage, zum Beispiel Ludovico Lucchesi Palli:

Magst auf ein Bier gehen?

 

Ganz im Sinne von Franz’ Tochter wäre sicherlich das Anliegen von Brigitte Eibisberger, das dem Franz sicherlich zu denken geben wird:

Eigentlich bist du eh ganz in Ordnung, aber ein bisschen könntest du die Leute auch anregen, sich mehr Gedanken zu unserem Umgang mit Tieren zu machen. Du könntest ja mal einen Versuch starten und zumindest deine Ernährungsgewohnheiten ändern: weniger Fleisch und wenn doch, nur aus artgerechter biologischer Tierhaltung.
Das würde dir gesundheitlich auch gut tun!

 

Besonders viele von euch wünschen sich wie Beate Gesprägs vom Franz, dass er noch viele, viele Fälle löst:

Herr Gasperlmaier. Bitte, bitte machen Sie mit Ihrer Arbeit fleißig weiter, damit ich Sie immer schön mit meinen Augen Satz für Satz begleiten kann. Denn das ist das, was ich mir von Ihnen wünsche. Somit werden Sie nicht arbeitslos und mir ist weiterhin kurzweilig mit Ihnen. Ich baue auf Sie, weiterhin! Und natürlich: bleiben auch Sie weiterhin gesund!

 

Margit Bickel war mit einer Gasperlmaier-Aktion im neuesten Fall gar nicht einverstanden, hat dem Franz aber mittlerweile verziehen:

Ich mag den Franz wirklich, wirklich gern, aber die Aktion mit der Nachbarin im letzten Buch – das ist gar nicht in Ordnung. Das ist wirklich, echt schlimm. Und der Franz soll sich was schämen und da hat er viel kaputt gemacht.
Im ersten Moment hab ich überlegt, dass ich dem Franz nicht mehr begegnen will, aber jetzt guck ich alle 14 Tage, wann der nächste Band erscheint.

Auch Autor Herbert Dutzler hat seinem Ermittler etwas zu sagen: „Lieber Franz! Du musst mehr aus dir herausgehen, mehr reden, schneller reagieren, wenn dich jemand anspricht. Wenn du grübelst und nicht gleich antwortest, solltest du (vor allem Frauen) nicht so durchdringend anstarren. Sie kommen sich da gemustert und gewertet vor. Das kommt nicht gut an. Und du solltest vor allem mehr Sport treiben. Sonst nimmt das kein gutes Ende mit dir. Und, vor allem, hör auf deine Frau, wenn sie dir gute Ratschläge gibt!“ (Foto: Gisela Barrett)

Mit Autor Herbert Dutzler ist sich Manuela Pfleger einig, wenn es darum geht, auf wen der Franz hören soll:

Ich finde dich seit deinem Fall „Letzter Stollen“ toll, aber manchmal nervst du mich auch. Besonders dann, wenn du nicht auf deine Frau hörst. Ich freue mich aber immer wieder, wenn ich zusammen mit dir und deinem Team mitermitteln darf.

 

Einen ganz ähnlichen Tipp hat Hanna Halenka:

Auch wenn es dir nicht leicht fallen sollte, glaub mir, jede und jeder kann in jedem Alter noch vieles anders machen als ewig gewohnt. Also auch du! Setz dich einmal mit deiner Frau zusammen und redet lieb, aber ehrlich miteinander. Sie kennt dich besser als alle andren und wird dir sicher helfen können, ein paar von deinen weniger charmanten Gewohnheiten in den Fokus zu nehmen und dich noch erfolgreicher und zufriedener zu machen. Du weißt ja: Probleme gibt es keine mehr, sondern nur mehr Herausforderungen. Sagt man. Also nimm sie an, und alles Gute weiter für dich!

Charlotte Kandel hat, wie viele andere von euch, aufbauende Worte für den Franz:

Bleib so ehrlich wie Du bist, dann brauchst auch nicht mehr schüchtern sein. ‚Falsche‘ Menschen gibt’s genug.

 

Auch Elisabeth Giefing hat den Franz ins Herz geschlossen, und das ist ganz offenbar ansteckend:

Hallo Franz, seit deinem ersten Fall „Letzter Kirtag“ bin ich ganz vernarrt in dich 
soll heißen, dass ich deine Ermittlungen seither ganz genau verfolge und manchmal hab ich auch deinem „Ghostwriter“ Herbert gelauscht, wenn er aus der einen oder anderen Ermittlungsarbeit vorgelesen hat. Hab auch ein paar Freundinnen mit dem „Gasperlmaier-Virus“ angesteckt und sie sind quasi zu Stalkerinnen geworden – sie finden dich, sobald du in einer Buchhandlung auftauchst. Bitte, bitte mach weiter so!

 

Brigitte Wild hat einen wirklich guten Rat:

Nicht so schüchtern, trau dir zu sagen was dich bedrückt. Das würde dein Leben sicherlich erleichtern.

 

Ein bisschen strenger formuliert es Günter Stickler:

Franz, reiß dich endlich am Riemen!

 

Alfred Eder hingegen fasst sich kurz:

Du bist a wilder Hund!

Gasperlmaiers aktueller Fall: Letzter Jodler

Franz Gasperlmaier ist sich treu geblieben und hat sich trotzdem weiterentwickelt, ist über sich hinausgewachsen. Er hat spektakuläre Morde aufgeklärt, sei es im Volksmusikmilieu oder im Trachtenbusiness, er hat sich als Trommelweib verkleidet, um inkognito zu ermitteln, er hat Verbrecher per Boot, Auto und in Wanderschuhen verfolgt, er hat seine Kinder ein ganzes Stück älter werden sehen, er hat zwischenzeitlich abgenommen, aber dennoch nie den Appetit verloren.

Der Franz ist ja nicht unbedingt besonders technikaffin, aber wir versprechen, dass wir ihm zukommen lassen werden, was ihr zu sagen habt – und ganz bestimmt wird er seiner Frau davon erzählen. Vielleicht sogar der Frau Doktor Kohlross. Und wenn die beiden mit euch einer Meinung sind, und das sind sie sicher, dann wird es sich auch der Franz zu Herzen nehmen!

Hast du einen Fall verpasst? Hier geht’s zu allen Büchern von Herbert Dutzler!