Autor: admin_sunlime

„Sicher war, dass ich niemals so werden wollte wie die Erwachsenen.“ – Gespräche übers Großwerden

Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden, diesen Spruch hast du vielleicht auch schon gehört. Doch wenn wir uns zurückerinnern an die Jahre des Erwachsenwerdens, gibt es ganz andere Fragen, die sich in dieser Zeit gestellt haben: Wer will ich eigentlich sein? Welche Spuren will ich auf der Welt hinterlassen? Was ist mein Weg? Drei Leser*innen haben uns erzählt, was für sie besonders große Herausforderungen waren, was geholfen hat – und welche Werte der Eltern sie trotz aller jugendlichen Kämpfe bis heute im Herzen tragen.

Parnia Kavakebi ist zwar in Österreich geboren, verbrachte dann aber ihre ersten vier Lebensjahre dort, wo ihre Familie herstammt: im Iran. Mit vier Jahren floh sie mit ihren Eltern und Geschwistern vor dem Krieg und kehrte zurück nach Österreich. Heute studiert sie Architektur, engagiert sich in feministischen Projekten und genießt nach einem Umzug von Innsbruck nach Wien das Großstadtleben. Foto: privat

Parnia

Würdest du sagen, dass du erwachsen bist? Welche Schritte in deinem Leben waren besonders große in Richtung Selbständigkeit? Und inwiefern haben sie bedeutet, dich von der Familie und ihren Werten zu lösen und dir eigene zu erkämpfen?

Ich würde mich als bedingt erwachsen bezeichnen, denn der jugendliche Idealismus kommt noch ganz schön oft durch. Der größte Teil meiner frühen Selbständigkeit kommt wohl daher, dass ich schon als kleines Schulkind viel alleine zuhause war, da meine Eltern sozusagen rund um die Uhr gearbeitet haben, arbeiten mussten. Außerdem musste ich mich auch schon früh immer wieder gegen rassistische Anfeindungen oder gegen „Andersbehandlung“ von Seiten der Erwachsenen verteidigen. Ich glaube, dass auch das zu einer frühen Selbständigkeit führen kann.

Von manchen Werten in meiner Familie habe ich mich bis heute noch nicht gelöst und trage sie mit mir. Nicht, weil ich mich nicht lösen kann, sondern weil ich mit zwei Kulturen aufgewachsen bin – mein Vater stammt aus dem Iran und meine Mutter aus dem Zillertal. Ich finde es schön, mir aus beiden Kulturen positive „Dinge“ rauszupicken.

Das persische Neujahrsfest findet im März statt, der Frühlingsbeginn ist somit eine spezielle Feierlichkeit für mich – und in meinem Denken ganz verwandt mit dem hiesigen Fasching. Ich liebe die persische Gastfreundschaft ebenso wie die österreichische Satire. Und während ich in Wien das Sudern feiere, mag ich an der persischen Kultur „Taroof“ – eine Form von höflichem Zeremoniell – besonders.

Deine Familie stammt aus dem Iran, denkst du, dass daraus, als du Teenagerin warst, andere Reibungsflächen entstanden sind als mit Eltern, die hier aufgewachsen sind? Wenn ja, welche waren das?

Als Teenagerin war das manchmal schon eine harte Nummer, ich wollte angepasst sein wie nie zuvor oder danach in meinem Leben, auf keinen Fall anders sein. Trotzdem war das „Ausländerinsein“ fast schon ein Alleinstellungsmerkmal, da es in meinem Freundeskreis sonst keine „Migrantenkinder“ gab, und in der gesamten Schule vielleicht vier Kinder mit Migrationshintergrund. Die Reibungsflächen mit meinen Eltern waren nicht mühsamer als die meiner Freund*innen. Das zusätzliche Aufbegehren gegen die Schubladen, in die mich meine Umgebung drücken wollte, war anders. Meine Rebellion fand vor allem dadurch statt, dass ich das Gefühl hatte, ich müsste mich entscheiden zwischen zwei Kulturen. In dieser Zeit habe ich zum Beispiel aufgehört, Farsi zu sprechen, wollte keine persische Jause mehr in die Schule mitnehmen und ging nicht in die Sonne, um nicht braun zu werden. Ich schämte mich dafür, eine „fremde“ Sprache zu sprechen. Ich dachte, ich müsste alles wissen, um möglichst klug und nicht das „dumme Ausländerkind“ zu sein, für das mich erwachsene Österreicher*innen gerne hielten. Struktureller Rassismus von Lehrer*innen hat mir die Schulzeit erschwert und mir das Gefühl vermittelt, ich müsste dreimal mehr für gute Noten arbeiten. Gegen meine Eltern musste ich nicht viel rebellieren, ich musste mich eher sehr anstrengen, mich in der Gesellschaft zu assimilieren um die Eltern meiner Freund*innen nicht zu verärgern, so hat es sich zumindest für mich angefühlt. Auch wenn meine Eltern Ausgehzeiten streng hielten und das Komasaufen nicht so locker nahmen, bleibt mir eher die Ablehnung der anderen Erwachsenen aufgrund meiner Herkunft in Erinnerung.

Gibt es etwas, das dir deine Eltern vermittelt haben, das für dich als Jugendliche besonders wichtig war – und das du auch Jugendlichen von heute wünschen würdest?

Meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben, ich wäre sehr schlau, und dass sie mir zutrauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie haben mir sehr früh verständlich gemacht, was Rassismus ist, und daher konnte ich den Antrieb gewisser Menschen verstehen, ohne an meiner Person zu zweifeln, ohne gebrochen zu werden. So konnte ich stabil wachsen. Solidarität war ein wichtiges Thema für meine Eltern, Mitgefühl, nicht nachtragend zu sein und Geduld. Ich wünsche Jugendlichen mit ähnlichem Herkunftshintergrund, dass sie die Vorzüge mehrerer Kulturen annehmen und genießen können und sich gleichzeitig nicht unterkriegen lassen, ihre Identität bewusst finden und wahren können. Und dass sie trotzdem das Gefühl haben, vollständige, wertvolle Mitglieder der österreichischen Gesellschaft zu sein. Ich glaube immer noch, dass Multikulti funktioniert, und ich wünsche vor allem den jungen Mädchen mit Migrationshintergrund viel Energie und Leidenschaft.

Heinrich

Heinrich Breidenbach war 1971 siebzehn Jahre alt. Seit Beginn seines Berufslebens ist er engagiert und macht den Mund auf: als Sozialarbeiter, Öffentlichkeitsarbeiter, Journalist und Autor, privat ist er liebender Papa und Opa. Besonders wohl fühlt er sich auf dem Wasser – als Skipper auf Segelyachten oder im Kajak. Er ist Mitbegründer von genusspaddeln.at. Foto: privat

Was hat Erwachsenwerden für dich bedeutet? Wann ist es passiert – gibt es rückblickend einschneidende Erlebnisse, etwa Reibungen mit den Eltern, Studienabschluss, erstes eigenes Geld, die du damit verbindest?

Eine sehr unbewusste Sache war dieses „Erwachsenwerden“ bei mir. Mir ist kein Wunsch, keine Absicht oder Plan erinnerlich, erwachsen werden zu wollen. Heute würde ich sagen, Erwachsensein hat mit Stabilität, Souveränität, Großzügigkeit, Denk-, Liebes- und Arbeitsfähigkeit zu tun. Ich kann mich aber nicht erinnern, diesen Begriff als Jugendlicher jemals für mich positiv reflektiert zu haben. Sicher war, dass ich niemals so werden wollte, wie die „Erwachsenen“. Mehr oder weniger bewusst war das ein negativ besetzter Begriff. „Erwachsene“ waren spießig, fad, nervös, reaktionär, von den Schrecken des 20. Jahrhunderts traumatisiert, in konservativen und religiösen Konventionen gefangen und überhaupt nicht sexy. Ich steuerte ein Antiprogramm dazu an.
Reibungen und ernsthafte Konflikte mit den Eltern gab es jede Menge. Kleidung. Haare. Umgang. Freundin. Musik. Politik. Religion. Lebensstil.
Nachträglich finde ich immer noch beglückend, dass dadurch die persönliche Wertschätzung der Eltern und auch meine Liebe zu ihnen nicht grundsätzlich gestört wurden. Die verbindende familiäre Klammer war immer stärker. Das ist schön.

Es kam überhaupt alles anders. Mit 22 eröffnete mir meine damalige Freundin und jetzige Frau, schwanger zu sein. Ich war Student, sie Studentin. Es wird mein familiär geprägtes Über-Ich gewesen sein; jedenfalls war das Gefühl groß, mich der Verantwortung für mein Kind stellen zu müssen, und die Entscheidung daher eindeutig. Trotz aller Ambivalenzen. Das bedeutete auch, einen großen, unerwarteten und ungeplanten Schritt in das „Erwachsenwerden“ tun zu müssen, zumindest in Teile davon.

Was für Regeln waren deinen Eltern besonders wichtig, als du Kind und Jugendlicher warst, die dir beim Erziehen deiner eigenen Kinder vielleicht weniger wichtig waren oder die du und deine Frau für euch neu gestaltet habt? Und wie ist das jetzt als Opa?

Was die äußeren Regeln und Konventionen betrifft, haben wir vieles anders gemacht. Aber die Prägung bleibt. Meine Eltern waren liebevoll, absolut korrekt, immer verlässlich, sorgend und gutmeinend. Sie kannten wenig Neid und wenig Hass. Sie waren freundlich, rücksichtsvoll, hilfsbereit und verantwortlich. Bestimmt war die Substanz meiner Erziehung auch prägend für meine Rolle als Vater. Sicher wollte ich diese Substanz weitergeben, wenn auch in anderen Formen.
Als Opa dominieren andere Gefühle. Die Liebe ist bedingungsloser und weniger fordernd. Man fühlt sich nicht so als Erzieher, der etwas erwartet oder erreichen will. Man fühlt sich mehr als Geber. Den großen Unterschied macht die Wahrnehmung der äußeren Umstände aus. Seit meine Enkelin auf der Welt ist, machen mir diese mehr und auf eine viel persönlichere Art Sorgen. Als junger linker Revolutionär hatte ich eine positive Zukunftssicht. Es wird alles besser. Es kann gar nicht anders. Das ist der Lauf der Geschichte. Ich habe mir um die Zukunft der Welt, in der meine Kinder leben werden, keine wirklichen Sorgen gemacht. Jetzt ist das anders. Jetzt macht mir der Wahnsinn der Welt, die soziale und ökologische Verantwortungslosigkeit der Mehrheiten, persönliche Sorgen. Und zwar direkt mit Blick auf meine bezaubernde Enkelin. Ich bin ängstlicher. Ich bin zorniger. Letzte Woche habe ich einen Porsche, der laut röhrend durch unsere Wohngegend gerast ist, gestoppt und den Fahrer mehrere Minuten lang angeschrien. Nicht gut. Dabei hatte ich meine Enkelin im Kopf. Ansonsten und im direkten Umgang mit Enkelkindern ist man ruhiger, gelassener und einfach glücklich.

Was glaubst du, waren große Herausforderungen für die Heranwachsenden deiner Generation, und was glaubst du, vor welchen stehen Kinder und Jugendliche heute?

Meine Generation in den westlichen Industriestaaten ist mit Wohlstand, Demokratie, Sicherheit und Frieden die privilegierteste Generation, die jemals auf diesem Planeten gelebt hat. Wir hatten nicht mehr die schwierige Aufgabe des „Wiederaufbaus“. Wir leben gut und auch unsere Kinder und Enkelkinder leben meistens gut. Bisher. Wir hätten die Aufgabe gehabt, und haben diese immer noch, unsere Privilegien zu globalisieren, sie sozial und ökologisch nachhaltig für die Zukunft zu sichern. Das wollte und will diese privilegierte Generation mehrheitlich nicht angehen. Die heutigen Kinder und Jugendlichen werden mit diesem Versagen umzugehen haben.

Kerstin

Kerstin verließ als Teenagerin ihre Heimat nahe Berlin, um sich in den Bergen ein eigenes Leben aufzubauen. Heute ist sie in der Kinder- und Jugendhilfe in der Krisenunterbringung tätig und hilft Kindern und angehenden Erwachsenen, ihren Platz in der Welt zu finden. Foto: privat

Du warst sehr jung, als du dich auf eigene Füße gestellt hast. Wie hat sich das damals angefühlt – und bist du froh dich so entschieden zu haben?

Damals war das eine riesengroße Herausforderung und eine große Umstellung, das Schlimmste war anfangs die Sprachbarriere. Die ersten zwei Wochen in Tirol habe ich kein Wort verstanden, in der Mittagspause mit den Kolleg*innen in meinem damaligen Lehrbetrieb in der Gastronomie habe ich einfach mit den anderen mitgelacht, ohne zu wissen, worum es geht. Der viele Schnee hat mich ebenfalls überrascht, und die Umstellung von der Schule auf einen Vollzeit-Lehrberuf war am Anfang für mich ebenfalls nicht einfach.
Rückblickend war es aber die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe dort, in der Nähe von Berlin, keine Zukunftsperspektive für mich gesehen und hatte – auch familiär – nicht das Gefühl, unterstützt zu sein und mich entfalten zu können. Daher war es besser, mich aus diesem Kontext zu lösen und einen Neubeginn zu machen.

Erwachsen werden heißt, eigene Entscheidungen zu treffen – herauszufinden, wer man sein will, wen man liebt, und mit wem man sich umgeben möchte. Hat es in dem Zusammenhang besonders wichtige Momente für dich gegeben?

Ein damaliger Arbeitskollege hat mich in ein Szenelokal mitgenommen, wo mir zum ersten Mal eine Frau begegnet ist, die für mich zum Verlieben war. Ich glaube nicht, dass ich zuhause, in meinem engstirnigen Umfeld, den Mut gefunden hätte, diese Liebe auszuleben. Das Umfeld an meinem neuen Wohnort habe ich mir selbst ausgesucht, entsprechend aufgeschlossen war es auch. Insofern: Ja, das „Abnabeln“ hat bei mir sehr viel dazu beigetragen, dass ich zu mir selbst gefunden habe.

2014 war auch ein wichtiges Jahr für mich: Ich musste aus gesundheitlichen Gründen meinen Beruf in der Gastronomie hinter mir lassen und einen neuen Weg einschlagen: die Schule für Sozialbetreuungsberufe. Sie hat mich in die Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung geführt, in der ich heute tätig bin. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist für mich bereichernd, abwechslungsreich, herausfordernd und ist ein wichtiger Teil meines Lebens.

Die Kinder und Jugendlichen, mit denen du arbeitest, haben schwierige Erfahrungen machen müssen. Wie kannst du sie darin unterstützen, bestmöglich in ein zufriedenes Leben zu starten?

Mir ist besonders wichtig, die Kinder in ihrer Autonomie zu bestärken. Die Unterstützung, die ich zuhause vermisst habe, versuche ich jetzt, den Kindern mit auf den Weg zu geben, und somit aus einer für mich als Kind negativen Situation für die Kinder jetzt etwas Positives zu machen, weil ich mich aus meiner eigenen Erfahrung heraus sehr gut einfühlen kann. Wenn sie zu uns in die Einrichtung kommen, weil sie in ihrer Familie nicht entsprechend betreut werden können, vermissen sie natürlich ihre Eltern und Bezugspersonen. Daher bemühe ich mich, ihr Leben so familiär wie möglich zu gestalten. Und ich bemühe mich, ihnen zu vermitteln, dass sie an ihren Zielen, Wünschen und Träumen festhalten sollen, weil sie sie tatsächlich verwirklichen können. Kinder, die viel Negatives erlebt haben, muss man umso öfter daran erinnern, dass ihnen alle Möglichkeiten offenstehen, der Mensch zu werden, der sie gerne sein möchten. Beispiele, die zeigen, dass das wirklich möglich ist, sehen wir regelmäßig.

Stell dir vor, es ist Krieg – und du warst dort: über Erinnerungen mit zerstörerischer Kraft

In vielen unserer Bücher begibst du dich mit den Protagonist*innen in seelische Ausnahmesituationen – zum Beispiel in einem Kriegsgebiet. Wahrscheinlich hast du – ebenso wie wir – eine Vorstellung davon, wie sich einschneidende Erlebnisse auf die Seele auswirken und dass sie Spuren hinterlassen können, das „Leben danach“ völlig verändern. Doch was genau ist eigentlich ein Trauma? Was macht es mit einem betroffenen Menschen? Stimmt es, dass ein Trauma „erblich“ sein kann?

Oswald Klingler ist Klinischer Psychologe, Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut. Er interessiert sich ganz besonders für jene Verwundungen, die durch schlimme Erfahrungen in unserer Seele entstehen können, und dafür, wie man diesen Wunden beim Heilen hilft. Fürs österreichische Bundesheer hat er das Zentrum für Psychotraumatologie und Stressmanagement aufgebaut – und mit uns hat er sich über seine Arbeit unterhalten.

Oswald Klingler hat mit uns über Verwundungen der Seele gesprochen. © privat

Was ist ein Trauma überhaupt? Was passiert bei einer Traumatisierung mit unserer Seele?

Ein Trauma ist eine Verwundung. Manchmal wird auch das Ereignis selbst, das zur Verwundung geführt hat, als Trauma bezeichnet. Anders als bei körperlichen Verwundungen sind solche, die das Seelische betreffen, zumeist nicht so deutlich sichtbar. Doch auch seelische Verwundungen verursachen zunächst einmal Schmerz und oft noch weitere Beeinträchtigungen. Die Erfahrung von Grausamkeit oder drohendem Tod, egal ob bei einem selbst oder bei anderen Menschen, kann ein Trauma sein, aber auch ein Verlust, eine Niederlage oder eine Demütigung. Das Kriterium wäre, dass der Schmerz oder die Beeinträchtigungen länger andauern als das eigentlich auslösende Ereignis. Und wie körperliche Verletzungen können auch seelische rasch und ohne große Folgeschäden verheilen. Gar nicht selten führen sie aber zu anhaltend schmerzhaften Narben oder einer schleichenden Sepsis, welche die Gesundheit des gesamten Organismus bedroht.

Warum ist es so wichtig, dass man sich bei einer Traumatisierung besonders schnell Hilfe sucht? Kann auch eine „seelische Wunde“ besser heilen, wenn man sie entsprechend behandelt?

Im Mittelpunkt steht bei Trauma-Folgeschäden die Schmerzlichkeit der Erinnerung, die man nicht loswerden kann. Es kommt zu einem unerwünschten Wiederauftreten dieser Erinnerungen, zum Beispiel Albträumen oder Flashbacks. Und man möchte die Erinnerungen vermeiden und daher auch nicht darüber sprechen. Und so kann es sein, dass man beginnt, bestimmte Gesprächsinhalte und Kontakte zu vermeiden, vielleicht auch bestimmte Orte oder Situationen. Und man gerät in Angst und Einsamkeit und Flucht oder Abhängigkeiten. Leider nicht so selten führt der Weg dann von der Traumatisierung zur Depression und/oder in eine Sucht, manchmal auch zu Selbstverletzung und Suizidgedanken. Mit einer geeigneten Psychotherapie bestehen aber recht realistische Chancen, eine solche Entwicklung zu verhindern. Vor allem aber ist es schade um jeden Tag, den man dem Leiden unnötig ausgesetzt bleibt.

Worin unterscheidet sich ein Kriegstrauma von einem anderen, was ist besonders daran?

Es gibt kaum objektive Kriterien für die Schwere eines Traumas. Was dem einen eine vernichtende Katastrophe ist, berührt jemand anderen vielleicht viel weniger. Doch ein Krieg stellt eine besonders grausame Realität dar. Viele Soldat*innen und oft auch unschuldige Zivilist*innen werden von einer Hölle zur nächsten getrieben, erleben eigene Entbehrungen, Schmerzen und Verstümmelungen, aber auch das Leiden und den Tod von Kamerad*innen und „Feind*innen“ und anhaltende und wiederkehrende Todesangst. Das nicht nur über Wochen oder Monate, sondern an manchen Kriegsschauplätzen auch über Jahre. Ähnliche anhaltende oder wiederholte Extrembelastungen sind auch von den Überlebenden von Konzentrationslagern, bei anderweitig Inhaftierten, Folteropfern oder Geflüchteten bekannt. Die Folgen werden heute oft als komplexe Posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet und fordern naturgemäß eine sehr intensive Behandlung. Sogenannte Monotraumata, als „einzelne“ traumatische Erlebnisse, können ebenfalls sehr schwerwiegend sein, gelten insgesamt aber als leichter behandelbar.

Wie du sagst, sind ja auch Geflüchtete häufig traumatisiert vom Kriegsgeschehen, vor dem sie geflohen sind. Inwiefern ist die Erfahrung, die man als Zivilist*in macht anders als das, was man als Soldat*in erlebt?

Tatsächlich sind leider auch Geflüchtete sehr häufig Mehrfachtraumatisierungen unterworfen. Und sind daran zumeist völlig schuldlos. Sie können allerdings vielleicht Soldat*innen oder deren Auftraggeber*innen zu den Schuldigen machen, die für ihr Elend verantwortlich sind. Ein Soldat oder eine Soldatin aber muss auch damit fertig werden, an dem Elend, das ihm oder ihr nie ganz verborgen bleiben kann, eine Mitschuld zu tragen. Berechtigte oder unberechtigte Schuldgefühle sind fast immer auch ein Bestandteil von belastenden Traumafolgen.

Wie unterscheiden sich Traumatisierungen der Soldat*innen vor hundert Jahren von denen der Soldat*innen heute – falls sie das überhaupt tun?

Ein österreichischer oder deutscher Soldat, der im Ersten Weltkrieg Panikattacken, Weinkrämpfe oder Zitteranfälle bekommen hat, musste damit rechnen, dass er als Feigling, Simulant oder Psychopath angesehen wird. Die Traumafolgen wurden häufig auch als „hysterisch“ bezeichnet, nach dem damaligen Verständnis für einen männlichen Soldaten eine besondere Demütigung. Die Behandlungen sollten die Geschädigten zurück an die Front zwingen, nach dem Prinzip, dass die Behandlung schlimmer als die Front sein müsse. Die häufige Behandlung mit Elektroschocks führte auch zu Todesfällen und natürlich gab es zahlreiche Suizide. Heute erfahren alle österreichischen Soldat*innen im Rahmen ihrer Ausbildung – zur Selbst- und Kamerad*innenhilfe – dass Traumatisierungen normale Reaktionen auf abnorme Situation und als solche gut behandelbar sind. Dass die im Ersten Weltkrieg so häufigen Symptome der Bewegungsstörungen bei den sogenannten Kriegszitterern heute kaum mehr beobachtbar sind, kann kaum zweifelsfrei erklärt werden. Es hat vielleicht mit den im Ersten Weltkrieg so verbreiteten Stellungskriegen zu tun, in denen jede Bewegung gefährlich war, vielleicht aber auch damit, dass andere Störungen weniger zugegeben oder dokumentiert wurden.

Man hört ja gelegentlich von „erblichen“ Traumata. Tragen wir Spuren von dem in uns, was unsere Großeltern im Zweiten Weltkrieg erlebt haben?

Traumata können sich auf zwei Wegen auf die nachfolgenden Generationen auswirken: zum einen über das Verhalten und zum anderen auf dem Weg der Epigenetik. Eine Vermittlung über das Verhalten des Traumatisierten und dessen Wahrnehmung durch seine Nachkommen könnte man sich zum Beispiel so vorstellen: Ein Vater ist zu keinem Interesse gegenüber seinen Kindern in der Lage und neigt zu unkontrollierten Wutausbrüchen. Oder er berichtet immer wieder in höchst ungeordneter und damit vielleicht unverständlicher Form über seine Erlebnisse. Und Epigene, also Anhängsel an der Ribonukleinsäure, durch welche spezifische Genaktivitäten ein- oder ausgeschaltet werden, können durch Traumata verändert werden und dann eine erhöhte Stressempfindlichkeit an nachfolgende Generationen übertragen. Wichtig zu beachten ist, dass das vermutlich – nach ersten vorliegenden Ergebnissen – durch eine geeignete Psychotherapie auch wieder rückgängig gemacht werden kann.

Und am Ende: Gibt es einen Fall aus deiner Arbeit, der dich besonders betroffen gemacht hat? Wie schützt du dich selbst?

Jeder Fall macht betroffen. Und ein wenig wütend hat mich das Folgende gemacht: Ein nicht mehr ganz junger Unteroffizier der Miliz (als solcher kein Berufssoldat, sondern in einem Zivilberuf und nur für Übungen oder Einsätze beim Bundesheer tätig) hat sich für einen UNO-Einsatz in Syrien gemeldet. Natürlich auch wegen der gebotenen Verdienstmöglichkeiten. Und wie alle Auslandssoldat*innen beim österreichischen Bundesheer wurde er vor dem Einsatz einer umfassenden Eignungsüberprüfung unterzogen, mit einer fast 24-stündigen psychologischen Untersuchung, welche eine uneingeschränkte Einsatzeignung ergeben hat.
Im Einsatzraum fand er sich dann, vorbereitet und ausgerüstet für Beobachtungsaufgaben und verantwortlich für eine Gruppe junger Kameraden, mitten in einem umkämpften Bürgerkriegsgebiet. Er ist mehrmals unter Beschuss geraten und sehr mutig und unter Lebensgefahr für die Erfüllung seines Auftrages und für seine Kameraden eingetreten. Wieder daheim: nächtliches Aufschrecken, quälende Erinnerungen und Albträume über den Einsatz, zunehmende soziale Ängste, Kontaktvermeidung und Depression. Damit war die Arbeitsfähigkeit sehr stark eingeschränkt. Eine Anerkennung seiner Probleme als Einsatzschädigung ist auch vor dem Verwaltungsgerichtshof abgelehnt worden, mit der Begründung, er habe schon vor dem Einsatz Probleme gehabt: Verluste von Angehörigen, eine Pleite, eine Scheidung. Hätte keine Vorschädigung bestanden, dann hätte er auch die Belastungen des Einsatzes besser verkraftet.

Naturgemäß ist es belastend, die in der Behandlung unverzichtbare Auseinandersetzung mit den Traumainhalten zu leisten, mit den Klient*innen in die traumatisierende Situation zurückzukehren. Zu versuchen, seine Gefühle zu dämpfen und zu kontrollieren, scheint nur begrenzt sinnvoll und aussichtsreich. Sehr viel hilfreicher für Betroffene wie für Therapeut*innen ist es, konsequent den Blick immer wieder weg vom Leiden und auf die Möglichkeiten seiner Bewältigung zu lenken.

Danke für das spannende Gespräch, lieber Oswald!

 

Dem Kampf, der im Inneren des Menschen toben kann, spürt auch Tanja Paar in ihrem Roman „Die zitternde Welt” nach. Die Kinder des österreichischen Paares Maria und Wilhelm wachsen an der Wende zum 20. Jahrhundert als Bürger des Osmanischen Reiches auf. Anatolien ist ihr Zuhause, Türkisch ihre Muttersprache – nicht Deutsch. Die alte Heimat der Eltern haben sie nie kennengelernt, sie existiert nur als fahle Erinnerung aus deren Erzählungen. – Bis der Erste Weltkrieg ausbricht. Geburtsort, politische Grenzen und Allianzen gewinnen plötzlich an entscheidender Relevanz: Was bedeutet der Krieg für die beiden Söhne im wehrpflichtigen Alter? Was bedeutet er für Maria, für die ein Leben außerhalb von Anatolien fernab jeglicher Vorstellungskraft liegt?

„Da gibt es kein Entkommen!“ – Autor Thomas Raab im Interview

Der Metzger hat ja schon einiges erlebt. Aber dass ihn seine Danjela während ihrer Hochzeit kurz vor dem Ja-Wort stehen lässt und spurlos verschwindet, das zieht ihm wirklich den Boden unter den Füßen weg. Auf der verzweifelten Suche nach seiner Braut kommt der Metzger einem skrupellosen Familienclan in die Quere, trifft auf einen Kopflosen, der ihm Kopfzerbrechen bereitet, auf einen Schlägertrupp, der noch ganz anderes zerbrechen will, und wird der persönliche Engel des Elefantenbullen Charlie.
Des Metzgers Schöpfer, Autor Thomas Raab, hat seiner Lektorin Linda Müller mehr über die Arbeit am neuen Fall von Willibald Adrian und über das Verhältnis Raab-Metzger verraten.

Der Metzger begleitet dich mittlerweile seit vielen Jahren, seit dem letzten Band hat es aber eine längere Metzger-Pause gegeben. Habt ihr euch vermisst? Oder hat euch der Abstand gutgetan?

Beides. Es tut gut, jemanden zu vermissen, da spürt man dann erst, wie groß die Liebe ist. Gibt ja schließlich auch Leut’, die siehst du nie wieder, und es geht dir dabei genau nix ab.

Thomas Raab © Fotowerk Aichner

Auf jeden Fall vermisst haben den Metzger seine Leser*innen. Du hast ja bekanntlich einen sehr guten Draht zu ihm. Möchte er eventuell seine Leserschaft über dich grüßen?

Da will ich jetzt meiner Leserschaft nicht nahetreten, aber den Metzger unterscheidet etwas sehr Wesentliches von mir: Er legt auf Aufmerksamkeit keinen Wert, und nach diesem Abenteuer wird er froh sein, so gut untertauchen zu können wie nur möglich – wenngleich ich ihm, zugegeben, beim Untertauchen sehr gern zuschauen würde. Mal sehen, ob sich das einrichten lässt. Ich jedoch kann meine Leserschaft grüßen und mich aufrichtig für all die gemeinsamen Jahre bedanken. Ein Wunder ist das, so lang zusammen sein …

Grundsätzlich ist Willibald Adrian ja kein großer Freund von technischen Neuerungen, ich würde fast meinen, kein großer Freund von Veränderung generell. In „Die Djurkovic und ihr Metzger“ allerdings wird er unfreiwillig zum YouTube-Star. Kannst du uns verraten: Ist der Metzger jetzt Influencer?

… Maximal, wenn er die Grippe hat. Ansonsten denk ich, wünscht er sich eher einen Zusammenbruch des weltumfassenden Netzwerks, auf dass die unmittelbare Umgebung wieder enger an die Menschen heranrückt. Je näher das WWW, desto entfernter werden uns die eigenen vier Wände inklusive Insassen

Es ist, was es ist, sagt der Metzger. Doch dann läuft ihm die Braut davon. Danjela Djurkovic, Licht des Metzger-Daseins, kehrt ihrem Willibald den Rücken und türmt mit einem fremden Mann. Warst du beim Schreiben selbst schockiert und hast mitgelitten?

Nein, schockiert war ich nicht, weil mir ja sofort klar war: Die Danjela veranstaltet ein derartiges Schlamassel niemals aus Lieblosigkeit. Es muss also etwas Gravierendes dahinterstecken. Ja, und ab dann hab ich mit mir selber mitgelitten, denn die eigenhändig eingebrockte Suppe musste ich erst einmal auslöffeln, sprich herausfinden: Was war die Ursache?

Ein Thema, das deinen neuen Roman prägt, sind die Machenschaften von mafiösen Familienclans. Hat dich bei der Recherche etwas besonders überrascht?

Ja, im Grunde alles, denn was weiß man schon groß darüber? Und diesbezüglich hat mich die Aussage von David Ellero, Ex-Mafiabekämpfer bei Europol, am meisten erschüttert: „Die echte Organisierte Kriminalität ist jene, die niemand mitbekommt.“ Öffentlichkeit gibt es erst, wenn sich Clans intern bekriegen oder verschiedene Clans verschiedener Länder im Ausland aneinandergeraten, sich das Geschäft abgraben. Und das ist ein minimaler Prozentsatz.

Wir alle wissen: Nach dem Metzger ist vor dem Metzger. Ist es zu früh, um dich zu fragen, ob ihr beide schon über einen neuen Fall nachdenkt?

Eine schöne Frage, und in diesem Fall ziemlich einfach zu beantworten: Der nächste Fall ist eigentlich am Ende ziemlich aufgelegt, da gibt es kein Entkommen …

 

 

Erneut wirft Thomas Raab seinen Metzger mitten hinein in einen außergewöhnlichen Kriminalfall – und brilliert einmal mehr: wortwitzig, überraschend, klug, einfach genial!

Hol dir Die Djurkovic jetzt sofort in deiner Buchhandlung! Denn dass sie schneller weg sein kann, als einem lieb ist, weiß der Metzger am allerbesten … 

„Magst auf ein Bier gehen?“ Das wolltet ihr Franz Gasperlmaier schon immer sagen …

Jenseits der 50 (wie weit jenseits, verraten wir hier nicht, es wäre ihm wahrscheinlich nicht recht), Familienvater, Polizist. Zurückhaltend (man könnte sagen schüchtern, aber das wäre ihm wohl auch nicht recht), zuweilen mit einem ausgeprägten Talent fürs Ins-Fettnäpfchen-Treten. Ehrlich, denn mit dem Lügen ohne rot zu werden hat er so seine Schwierigkeiten. Hohe Geschwindigkeiten sind nicht seine Sache (auch nicht der Fahrstil der Frau Dr. Kohlross), wenn es aber notwendig ist und vor allem, wenn es um Menschenleben geht, kann er blitzschnell handeln. Das ist Franz Gasperlmaier, der seit 2011 acht Fälle gelöst und sich in eure Herzen ermittelt hat.

Wir haben euch in unserem Newsletter gefragt, was ihr Franz Gasperlmaier schon immer sagen wolltet. Und das war gar nicht wenig! Die Freude über die vielen Zuschriften möchten wir mit euch teilen, indem wir unsere Lieblingstexte hier versammelt haben. Einige von euch haben Franz Gasperlmaier beglückwünscht, andere beratschlagt, wieder andere hatten nur eine simple Frage, zum Beispiel Ludovico Lucchesi Palli:

Magst auf ein Bier gehen?

 

Ganz im Sinne von Franz’ Tochter wäre sicherlich das Anliegen von Brigitte Eibisberger, das dem Franz sicherlich zu denken geben wird:

Eigentlich bist du eh ganz in Ordnung, aber ein bisschen könntest du die Leute auch anregen, sich mehr Gedanken zu unserem Umgang mit Tieren zu machen. Du könntest ja mal einen Versuch starten und zumindest deine Ernährungsgewohnheiten ändern: weniger Fleisch und wenn doch, nur aus artgerechter biologischer Tierhaltung.
Das würde dir gesundheitlich auch gut tun!

 

Besonders viele von euch wünschen sich wie Beate Gesprägs vom Franz, dass er noch viele, viele Fälle löst:

Herr Gasperlmaier. Bitte, bitte machen Sie mit Ihrer Arbeit fleißig weiter, damit ich Sie immer schön mit meinen Augen Satz für Satz begleiten kann. Denn das ist das, was ich mir von Ihnen wünsche. Somit werden Sie nicht arbeitslos und mir ist weiterhin kurzweilig mit Ihnen. Ich baue auf Sie, weiterhin! Und natürlich: bleiben auch Sie weiterhin gesund!

 

Margit Bickel war mit einer Gasperlmaier-Aktion im neuesten Fall gar nicht einverstanden, hat dem Franz aber mittlerweile verziehen:

Ich mag den Franz wirklich, wirklich gern, aber die Aktion mit der Nachbarin im letzten Buch – das ist gar nicht in Ordnung. Das ist wirklich, echt schlimm. Und der Franz soll sich was schämen und da hat er viel kaputt gemacht.
Im ersten Moment hab ich überlegt, dass ich dem Franz nicht mehr begegnen will, aber jetzt guck ich alle 14 Tage, wann der nächste Band erscheint.

Auch Autor Herbert Dutzler hat seinem Ermittler etwas zu sagen: „Lieber Franz! Du musst mehr aus dir herausgehen, mehr reden, schneller reagieren, wenn dich jemand anspricht. Wenn du grübelst und nicht gleich antwortest, solltest du (vor allem Frauen) nicht so durchdringend anstarren. Sie kommen sich da gemustert und gewertet vor. Das kommt nicht gut an. Und du solltest vor allem mehr Sport treiben. Sonst nimmt das kein gutes Ende mit dir. Und, vor allem, hör auf deine Frau, wenn sie dir gute Ratschläge gibt!“ (Foto: Gisela Barrett)

Mit Autor Herbert Dutzler ist sich Manuela Pfleger einig, wenn es darum geht, auf wen der Franz hören soll:

Ich finde dich seit deinem Fall „Letzter Stollen“ toll, aber manchmal nervst du mich auch. Besonders dann, wenn du nicht auf deine Frau hörst. Ich freue mich aber immer wieder, wenn ich zusammen mit dir und deinem Team mitermitteln darf.

 

Einen ganz ähnlichen Tipp hat Hanna Halenka:

Auch wenn es dir nicht leicht fallen sollte, glaub mir, jede und jeder kann in jedem Alter noch vieles anders machen als ewig gewohnt. Also auch du! Setz dich einmal mit deiner Frau zusammen und redet lieb, aber ehrlich miteinander. Sie kennt dich besser als alle andren und wird dir sicher helfen können, ein paar von deinen weniger charmanten Gewohnheiten in den Fokus zu nehmen und dich noch erfolgreicher und zufriedener zu machen. Du weißt ja: Probleme gibt es keine mehr, sondern nur mehr Herausforderungen. Sagt man. Also nimm sie an, und alles Gute weiter für dich!

Charlotte Kandel hat, wie viele andere von euch, aufbauende Worte für den Franz:

Bleib so ehrlich wie Du bist, dann brauchst auch nicht mehr schüchtern sein. ‚Falsche‘ Menschen gibt’s genug.

 

Auch Elisabeth Giefing hat den Franz ins Herz geschlossen, und das ist ganz offenbar ansteckend:

Hallo Franz, seit deinem ersten Fall „Letzter Kirtag“ bin ich ganz vernarrt in dich 
soll heißen, dass ich deine Ermittlungen seither ganz genau verfolge und manchmal hab ich auch deinem „Ghostwriter“ Herbert gelauscht, wenn er aus der einen oder anderen Ermittlungsarbeit vorgelesen hat. Hab auch ein paar Freundinnen mit dem „Gasperlmaier-Virus“ angesteckt und sie sind quasi zu Stalkerinnen geworden – sie finden dich, sobald du in einer Buchhandlung auftauchst. Bitte, bitte mach weiter so!

 

Brigitte Wild hat einen wirklich guten Rat:

Nicht so schüchtern, trau dir zu sagen was dich bedrückt. Das würde dein Leben sicherlich erleichtern.

 

Ein bisschen strenger formuliert es Günter Stickler:

Franz, reiß dich endlich am Riemen!

 

Alfred Eder hingegen fasst sich kurz:

Du bist a wilder Hund!

Gasperlmaiers aktueller Fall: Letzter Jodler

Franz Gasperlmaier ist sich treu geblieben und hat sich trotzdem weiterentwickelt, ist über sich hinausgewachsen. Er hat spektakuläre Morde aufgeklärt, sei es im Volksmusikmilieu oder im Trachtenbusiness, er hat sich als Trommelweib verkleidet, um inkognito zu ermitteln, er hat Verbrecher per Boot, Auto und in Wanderschuhen verfolgt, er hat seine Kinder ein ganzes Stück älter werden sehen, er hat zwischenzeitlich abgenommen, aber dennoch nie den Appetit verloren.

Der Franz ist ja nicht unbedingt besonders technikaffin, aber wir versprechen, dass wir ihm zukommen lassen werden, was ihr zu sagen habt – und ganz bestimmt wird er seiner Frau davon erzählen. Vielleicht sogar der Frau Doktor Kohlross. Und wenn die beiden mit euch einer Meinung sind, und das sind sie sicher, dann wird es sich auch der Franz zu Herzen nehmen!

Hast du einen Fall verpasst? Hier geht’s zu allen Büchern von Herbert Dutzler!

Lydia Mischkulnig im Leserinnengespräch zu ihrem neuen Roman „Die Richterin“

Du hörst davon in den Medien, kennst vielleicht jemanden, der persönlich davon betroffen ist, oder bist es sogar selbst: In unseren Gerichtssälen wird darüber entschieden, ob Menschen im Land, in dem sie Zuflucht und Schutz suchen, bleiben dürfen – oder ob sie es verlassen müssen. Doch wie kommen diese Urteile zustande? Dieser Frage geht Lydia Mischkulnig mit psychologischem Tiefgang in ihrem neuen Roman „Die Richterin“ nach: Mit ihr tauchen wir in das Leben von Gabrielle ein, einer Asylrichterin – und damit in einen Berufsalltag, der uns sonst verschlossen bleibt.

Lydia Mischkulnig ist eine sprachmächtige Beobachterin. – Foto: Margit Marnul

Im Gespräch mit ihrer Leserin Heidi erzählt die Autorin von der Recherche für den Roman, von langen Stunden im Gerichtssaal, von ihren Gesprächen mit Betroffenen, von Afghanistan und blinden Flecken.

Mich würde sehr interessieren, wie Sie für diesen Roman recherchiert haben.

Das Thema Asyl, Flucht und Exil begleitet mich literarisch schon seit der Lektüre von Primo Levis „Ist das ein Mensch?“ und von Jean Amérys „Jenseits von Schuld und Sühne“, dann seit den frühen Neunzigerjahren und seit Ceauşescus Hinrichtung, als nach dem Regimewechsel rumänische Kinder zu Gast in der Schule waren, die meine Mutter damals führte. Dann folgten schon die Sezessionskriege in Jugoslawien und der Völkermord in Ruanda und im Iran, die Irakkriege und der afghanische Krieg, als die UdSSR eingriff, und schließlich die USA den Angriff auf das World Trade Center und den neoliberalistischen Brutalkapitalismus rächten. Irgendwann war mir klar: Das hört nicht auf – Flucht ist immer. Und nun gibt es auch vermehrt Fluchtgründe wegen des Klimawandels. So geriet ich mehr und mehr in die Thematik und schrieb Portraits, Aufsätze oder sogar Gedichte zur Existenz unter diesen grauenhaften Aussetzungen.
Das ist sozusagen Recherche, die man als LeserIn und StaatsbürgerIn des Alltags betreibt, ohne dass ich es richtig plane. Hinzu kommt dann das Interesse für Recht und die Sprache der Rechtsprechung und die philosophische Frage nach der Gerechtigkeit. Was bedeuten innerer Friede und Friede? Wie hängen die Begriffe zusammen?

Als dann 2015 die Flüchtlinge aus Syrien nach Europa kamen, war mir klar: Ich möchte auch wissen, was es heißt, im Asylwesen mitgestalten zu können. Wer sind all die AkteurInnen? Und schließlich interessierte mich der Gerichtssaal mit seiner interessierten Öffentlichkeit. Und diese Öffentlichkeit war ich selbst, in diese Rolle konnte ich mich begeben. Ich saß viele Monate dort und konnte Gespräche führen, sowohl mit HelferInnen und RechtsberaterInnen als auch mit den RichterInnen, ReferentInnen und Betroffenen.
Ich wechselte meine Perspektiven und irgendwann war mir klar, wie kompliziert die Lage ist und wie menschlich. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Bleiben in Sicherheit. Aber was geschieht mit denen, die Sicherheit nicht einmal begreifen, sondern bedrohen? Jeder Fall ist speziell. Das erfuhr ich auf nationaler und internationaler Ebene. Es geht immer um das Individuum – und damit geht es um die Gesellschaft in ihrer Rechtskultur. Und immer ist dies zu diskutieren. Das verstehe ich unter einem demokratischen Prozess: Er ist nie zu Ende.

Wie erging es Ihnen mit juristischen Dokumenten, z. B. mit Ablehnungsbescheiden? Meines Wissens sind die ja sehr umfassend.

Ich habe mich vor allem durch die Länderdokumentationen durchgearbeitet. Bescheide, Erkenntnisse gelesen, Protokolle studiert und vieles, sehr vieles ist öffentlich zugänglich und man findet sogar Material im Internet. Es gibt auch Rechtsliteratur zum Fachlichen, diese habe ich in vielen Gesprächen erörtert und kundige ExpertInnen in Diskussionen befragt. Es war mir total wichtig, zu verstehen, was diese nüchterne, distanzierte Sprache bedeutet. Und das geht nur über das Gespräch und die Einbeziehung von Befindlichkeit und Einstellung zum Thema, zu einem Gesetzestext. Ich habe gelernt, dass Recht gelebt werden muss. Und die Frage ist: Wie? Deshalb kann keine Maschine je eine menschlich-richterliche Instanz ersetzen. Es ist ungeheuerlich, einen negativen Bescheid zu lesen. Es ist auch ungeheuerlich, einen positiven zu lesen. Das Bewusstsein darüber, dass es sich immer um ein menschliches Schicksal handelt, macht einen gewaltigen Druck auf Geist und Psyche.

Inwieweit kennen Sie Kabul selbst?

Ich war nie dort. Ich werde aber eines Tages dort sein. Ich weiß von dieser Stadt seit 1979, seit dem Einmarsch der Sowjets. Und ich kenne die Fotos davon. Unerlässlich sind die anderen Blicke, die ich zum Beispiel von einem der angesagtesten PhilosophInnen und befreundeten Zeitgenossen Fahim Amir einholen durfte. Er stammt aus Kabul und hat dort auch Familie. Auch er hat mir diese kriegsgebeutelte Stadt in vielen Gesprächen näherbringen können. Und ich kenne Leute des Internationalen Roten Kreuzes, die dort vor Ort gelebt haben. Sie berichteten mir von ihren Eindrücken und Kenntnissen. Ich kenne es nur aus Erzählungen, und meine Frage für den Roman war daher: Wie stellen sich eigentlich AsylrichterInnen die Stadt Kabul vor? Sie hören ja dauernd davon. Und wie stelle ich sie mir vor?

Die Beziehung von Gabrielle zu ihrem Bruder hat mich beim Lesen überrascht: Sein Verhalten hat Gabrielles Leben oft nachhaltig negativ beeinflusst. Welche Rolle spielt er für Gabrielle?

Der Bruder ist eine Herausforderung für die Heldin, für ihre Einschätzungsfähigkeit. Ist er so gewesen, wie sie sich an ihn erinnert? Oder färbt sich ihr Bild aufgrund ihrer Ressentiments und gestaltet einen Sündenbock? Nach allem, was mit ihm geschah und durch ihn geschah, fragt sie sich nie, wieso sie ein Manuskript zu seiner Dissertation findet. Es taucht wie nebenbei auf und ist aber doch das Indiz auf eine Lebenslinie, die sie ihrem Bruder nicht im Geringsten zumessen konnte. Was hat es damit auf sich? Sie übersieht ein wesentliches Detail! Diese Frage stellt sich Gabrielle nicht. Man fragt sich für sie: Wieso? Was bedeutet dieses „Übersehen“ für die Einschätzung der Richterin? Welchen Charakter hat sie? Und letztlich stellt sich uns die Frage, was sollen wir von dieser Richterin und unserem eigenen Einschätzungsvermögen halten? Details entgehen immer jeder Beobachtung, niemand ist unfehlbar und verfügt über ein Gesamtbild. Das erscheint mir wichtig: Ambiguitätstoleranz zu fördern.

 

Richterin über das Schicksal: Über den Taumel einer Asylrichterin zwischen Macht und Ohnmacht, über die Tragweite ihrer Entscheidungen und den Weg dort hin erzählt Lydia Mischkulnig in „Die Richterin“. Schonungslos spürt sie die Sprünge auf, die unseren fragilen, vermeintlich klaren Blick auf die Welt durchziehen. Ein feinnerviger und sprachmächtiger Roman mit unterschwelligem Sog. – Hier geht’s zum Buch.

Wenn der Geldsegen zum Fluch wird

In Herbert Dutzlers Kriminalroman wird der Traum vom großen Geld zum Alptraum

Mit einem Lottogewinn wären alle Sorgen wie weggeblasen. So stellen es sich viele vor, die regelmäßig ihre Kreuzerl auf den Gewinnschein malen. Doch Herbert Dutzlers Kriminalroman zeigt, dass mit dem großen Geld auch die großen Probleme beginnen – und dass sich im Angesicht des Reichtums so manch ein Abgrund auftut.

(c) Gisela Barrett: Herbert Dutzler, Autor der erfolgreichen Serie um Kult-Ermittler Gasperlmaier, hat einen Kriminalroman geschrieben, der jetzt auch als Taschenbuch erhältlich ist.

Geschichten, die das Glückspiel schreibt

Man kennt sie, die skurrilen Lottoschicksale, wo der Hauptgewinn am Ende alles andere als Glück gebracht hat, etwa die Geschichte des Lottogewinners, der 1955 das Schild „Wegen Reichtums geschlossen“ an sein Hotel hängte, später aber völlig verarmt im Obdachlosenasyl endete. Oder die von Lotto-Lothar, der mit zahlreichen Exzessen seine Gesundheit ruinierte und nach wenigen Jahren an den Folgen des Alkholkonsums verstarb. 1997 tötete ein Lottogewinner einen Mann, weil er völlig paranoid annahm, seine Exfrau habe einen Auftragsmörder geschickt. Und ein Gewinner aus Chicago starb am Tag nach der Gewinnauszahlung plötzlich und vollkommen überraschend – die Untersuchung ergab eine Vergiftung mit Blausäure.

Die Geschichten von den vielen, die ihr Geld schnell auf den Kopf gehauen haben und bald mit leeren Taschen dastanden – häufig sogar ärmer als vor dem Gewinn –, wirken im Vergleich zu den Schicksalen der Lotto-Lothars dieser Welt beinahe harmlos.

Plötzlich reich – und was nun?

Wenn der Wunsch nach Reichtum wahr wird, obwohl die Chancen darauf etwa eins zu acht Millionen stehen, reagieren die Menschen unterschiedlich: Manche verlieren die Bodenhaftung, kaufen sich teure Luxusgüter und leben über ihre Verhältnisse. Und stehen dann unerwartet vor Schwierigkeiten und Sorgen, an die sie zunächst nicht gedacht haben. Ein Problem, das kaum jemand bedenkt, wenn er sich das neue Millionärsleben ausmalt: die Heimlichkeit. Denn den Freunden oder gar der Öffentlichkeit von dem Gewinn zu erzählen, ruft Neider und Bittsteller auf den Plan und kann Sozialkontakte zerstören. Und dann gerät alles noch schneller außer Kontrolle. Aber: Heimlichkeit ist schwierig. Denn wie erklärt man dem Umfeld, dass man sich plötzlich Dinge leisten kann, von denen man vorher nur geträumt hat? Also heißt es: Ruhe bewahren. Nachdenken. Keine überstürzten Investitionen. Möglichst lange vom Glücksfall zehren.

Dutzlers Kriminalroman: ein mörderischer Hauptgewinn

In seinem Kriminalroman „Die Einsamkeit des Bösen“ greift Herbert Dutzler dieses Thema auf. Hauptfigur Alexandra lebt mit ihrem Mann Anton und den beiden gemeinsamen Kindern recht zufrieden in Österreich und alles scheint in Ordnung – bis Anton in der Lotterie gewinnt. Fast augenblicklich scheint er sich zu verändern: Die Anweisungen der Beraterin von der Lotterie sind ihm völlig egal, er kauft ein neues Auto, macht den Kindern teure Geschenke und wird Alexandra von Tag zu Tag fremder. Sie selbst fühlt sich zunehmend einsam.

Nichts ist mehr, wie es wahr – und die Fassade beginnt zu bröckeln. Aus den Tiefen von Alexandras Seele drängen tragische Erfahrungen nach oben, von damals, als das kleine Mädchen Alexandra ebenfalls einsam war, als Vater und Bruder sie misshandelten und niemand ihr half. Bis sie sich schließlich selbst zu helfen wusste.

Eine Welt gerät aus den Fugen

Alexandra wird immer verzweifelter, alles scheint ihr zu entgleiten. Die Kinder verlangen plötzlich nach Luxusgütern, die Freunde verhalten sich seltsam, nachdem Alexandra zumindest von einem Teil des Gewinns erzählt hat, und ihr Mann hat ganz offenkundig Geheimnisse vor ihr – Alexandra vermutet eine Affäre.

Und plötzlich rührt sich in ihre das kleine Mädchen von damals, ein zorniges, trauriges Kind, das dem Bösen ins Auge geblickt hat. Und das endlich selbst über sein Leben entscheiden will …

Mehr Infos zu Buch und Autor gibt es hier!

Sehnsuchtsort Griechenland: vier Fragen an Edith Kneifl

Schatten im Paradies: Intrigen, illegale Geschäfte und tödliche Geheimnisse! In Edith Kneifls neuem Kriminalroman gibt es einen Protagonisten, der sich von ganz verschiedenen Seiten zeigt: Griechenland. Wir alle kennen die schönen Küsten, das azurblaue Meer und die sagenhaften Sandstrände: eine Kombination, die jedes Touristenherz höherschlagen lässt. Wer nach Griechenland reist, der schnuppert den betörenden Hauch der Antike. Bemerkenswerte Architektur, Spaziergänge unter bezaubernden Olivenbäumen und kulinarische Köstlichkeiten machen jede Griechenland-Reise zu einer unvergesslichen Erfahrung! Doch hinter der Urlaubsidylle lauern Abgründe, und die kennt eine ganz besonders gut: Edith Kneifl.

Edith Kneifl hat einige Zeit in Griechenland gelebt.

Sehnsuchtsort Griechenland – warum hast du diesen Schauplatz gewählt? Hast du einen persönlichen Bezug zu diesem Land?

Als ich mit 19 nach Wien kam, um hier Ethnologie und Psychologie zu studieren, lernte ich auf der Uni eine griechische Studentin kennen, die in Wien im Exil lebte. Sie und ihr Mann waren vor der faschistischen Junta in Griechenland geflüchtet. Nachdem das griechische Volk 1974 die Junta verjagt hatte, fuhr ich zum ersten Mal gemeinsam mit meinen Freunden nach Griechenland und wurde dort von ihren Familien sehr herzlich aufgenommen. Die Eltern meiner Freundin waren Partisanen, hatten ihr Leben lang gegen die Faschisten gekämpft, zuerst gegen die Italiener, die Deutschen und Österreicher, anschließend im griechischen Bürgerkrieg und zuletzt während der Herrschaft der Junta gegen die griechischen Faschisten. Athinas Vater war insgesamt mindestens 10 Jahre im Gefängnis und in Verbannung, u. a. auch auf der Todesinsel Makronissos, die ich in meinem Roman öfters erwähne. Ich verliebte mich übrigens damals in einen Cousin meiner Freundin, einen radikalen Studentenführer, der aussah wie Jesus Christus und tatsächlich Christos hieß. Die Beziehung hielt immerhin 3 Jahre, ein Jahr lang lebte ich bei ihm in Thessaloniki. Der alte Besitzer einer Souvlaki-Bude (ein alter Kommunist) brachte mir Griechisch bei. Ich leistete ihm jeden Vormittag auf einem Barhocker vor seinem winzigen Lokal Gesellschaft, während mein Freund auf der Uni die Welt zu retten versuchte.

Griechenland ist ein Land der Kontraste, Idylle steht düsteren Seiten gegenüber. Inwiefern ist gerade das interessant als Hintergrund für einen Kriminalroman?

Die düsteren Kapitel dieses wunderschönen Landes habe ich ja zum Teil bereits angesprochen, nicht zu vergessen auch das große Leid der Bevölkerung während der jahrhundertelangen osmanischen Herrschaft. Auch in der Gegenwart sieht die Lage in Griechenland nicht unbedingt rosig aus. Man denke an die große Finanzkrise der letzten Jahre. Dennoch ist Griechenland eines der schönsten Urlaubsländer der Welt – zumindest für mich. Während meiner zahlreichen Aufenthalte auf den griechischen Inseln hörte ich immer wieder von Bauspekulationen, Immobilienhaien, Großinvestoren und korrupten Politikern. Auch die verheerenden Zustände in den Flüchtlingslagern auf den Inseln Samos, Lesbos und Chios ließen mich nicht kalt. Da die Liebe in allen meinen Kriminalromanen immer eine große Rolle spielt, fiel es mir nicht schwer, eine eher außergewöhnliche Liebesgeschichte mit diesen kriminellen Machenschaften in der Bau- und Tourismusbranche zu verbinden. Es hat mir großen Spaß gemacht, einige fatale griechische Liebesaffären zu kreieren.

Die Windmühlen von Mykonos: Hier beginnt ein spannender Kriminalfall.

Im ersten Band deiner Reisekrimis lernen wir Laura Mars kennen. Kannst du uns ein paar Worte zu deiner neuen Protagonistin sagen? Wie hast du zu ihr gefunden?

Laura ist eine ungewöhnliche, sehr widersprüchliche Frau, einst erfolgreiche Wiener Modedesignerin, heute Aussteigerin und Biobäuerin auf Samos. Laura leidet einerseits unter einem schrecklichen Trauma, ist andererseits aber eine selbstbewusste, tatkräftige und kluge Frau. Gegen alle Vernunft verliebt sie sich in einen gutaussehenden griechischen Profikiller, der den Auftrag hat, sie zu töten. Mehr wird nicht verraten.

Deine Urlaubskrimi-Reihe geht spannend weiter – was sind die nächsten Schauplätze?

Zurzeit arbeite ich an einem Reisekrimi, der auf den Kanarischen Inseln, vor allem auf Gomera, Teneriffa und Gran Canaria, spielen wird. Laura Mars eilt ihrem Vater, der auf den Kanaren lebt und dort eine deutschsprachige Zeitung für Urlauber und Zweitwohnbesitzer herausgibt, zu Hilfe. Seine zweite Frau wurde entführt. Laura Mars wird in internationale Drogengeschäfte involviert. Auch in diesem Roman wird die Liebe nicht zu kurz kommen, doch statt eines Profikillers verliebt sich dieses Mal ein abgehalfterter kanarischer Privatdetektiv in sie. Es ist auch nicht ganz leicht, meiner Laura zu widerstehen …

 

 

Mörderisches Reisevergnügen: Edith Kneifl zeigt ein Griechenland hinter der sonnigen Fassade!
Vor der fantastischen Kulisse der griechischen Inseln Mykonos, Ikaria und Samos bahnt sich ein verhängnisvolles Abenteuer an. Griechenland ist einerseits Urlaubsparadies und Sehnsuchtsort, andererseits geprägt von der massiven Schuldenkrise, von Verarmung und Hoffnungslosigkeit. Edith Kneifl öffnet die Augen für Griechenland in allen seinen Facetten: den paradiesischen ebenso wie den abgründigen. Hier geht’s zum Buch!

Intrigen, illegale Geschäfte und tödliche Geheimnisse – „Wellengrab“ von Edith Kneifl (Leseprobe)

Gefahr im griechischen Paradies: Auf einer Schifffahrt lernt Laura Mars den gutaussehenden Griechen Alexander kennen – und ahnt nichts von seinem mörderischen Auftrag. Sie verliebt sich in ihn und begibt sich dadurch in Lebensgefahr … kann sie Alexander vertrauen, oder riskiert sie leichtfertig ihr Leben? Inmitten von idyllischen Inselträumen und bedrohlichen Immobilienhaien kommt es zum spektakulären Showdown!

Lies dich hier rein und begib dich mit der Wiener Krimi-Queen auf ein mörderisches Reisevergnügen:

Nach dreißig Jahren betrat Alexander zum ersten Mal wieder griechischen Boden. Er hatte in Argentinien, Kolumbien und Mexiko gelebt. Ein schiefgelaufenes Projekt in Juárez hatte er zum Anlass genommen, nach Europa zurückzukehren.

Die letzten Jahre hatte er in der Schweiz und in Wien verbracht. In der österreichischen Hauptstadt hatte er sich bald wie zu Hause gefühlt, Wien war ein idealer Platz zum Altwerden und galt nicht umsonst als die lebenswerteste Stadt der Welt. Doch es war auch eine Stadt der Intrigen, der illegalen Geschäfte und tödlichen Geheimnisse, wie er feststellen musste.

Alexander war in einer möblierten Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Gründerzeitbau in der Nähe vom Naschmarkt abgestiegen. Er ging viel spazieren, hielt seinen Körper halbwegs in Form, und er lernte Deutsch, die Sprache der Dichter und Denker. Fast war ihm ein bisschen langweilig in Wien gewesen.

Edith Kneif, in Wels geboren, hat bereits 22 Kriminalromane und ca. 50 Kurzgeschichten. Mit „Todesreigen in der Hofreitschule“ (2019) setzt Kneifl ihre beliebte Serie historischer Krimis im Wien des Fin de siècle rund um den charmanten Privatdetektiv Gustav von Karoly fort. „Wellengrab“ (2020) ist der Beginn ihre neuen Urlaubskrimi-Trilogie. Die nächsten Bände werden auf den Kanarischen Inseln und in Kroatien spielen. Foto: Kurt-Michael Westermann

Eine Zeitlang hatte er eine russische Freundin gehabt. Sie war zwanzig Jahre jünger als er und viel zu dünn für seinen Geschmack. Aber Natascha war toll im Bett. Toll im wahrsten Sinne des Wortes. Wegen ihrer zahlreichen erotischen Finessen hatte er sie kurz in Verdacht gehabt, eine Professionelle zu sein. Zwar verlangte sie nie Geld von ihm, aber ihre Vorlieben kamen ihn teuer zu stehen: Ihre Lieblingsbeschäftigung war Shoppen, auch vom Kochen hielt sie nicht viel, die Restaurantbesuche kosteten ihn ein kleines Vermögen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, war sie ihm auch körperlich zu anstrengend. Natascha war in jeder Hinsicht unersättlich. Trotzdem hatte er Hemmungen, mit ihr Schluss zu machen.

Durch Natascha kam er in einer Bar der Wiener Innenstadt mit einem schwerreichen Russen ins Gespräch. Bald erledigte er einfache Jobs für Boris – gelegentliche Kurierdienste, die ihn meist nach Luxemburg oder Liechtenstein führten. Heute war er sich sicher, dass die Begegnung mit dem Russen kein Zufall gewesen war. Alexander hatte Natascha nicht viel über sich erzählt, aber offenbar hatte sie geahnt, dass er für illegale Geschäfte zu haben war.

Als er eines Tages für Boris in Luxemburg eine Geldtransaktion erledigte, wurde er bei seiner Rückkehr am Wiener Flughafen von internationalen Fahndern festgehalten und einvernommen. Boris hatte Wien verlassen, ohne Alexander eine Nachricht zu hinterlassen und ihn zu warnen. Die Interpol hatte den Russen wegen Steuerhinterziehung und Betrug auf ihre Fahndungsliste gesetzt.

Etwa zur selben Zeit verließ Natascha Alexander. Er empfand vor allem Erleichterung. Er hatte sie nicht geliebt, war nicht einmal verliebt in sie gewesen. Sie hatte ihm nur die einsamen Nächte erträglicher gemacht.

Alexander konnte es sich nicht erlauben, von der Interpol genauer unter die Lupe genommen zu werden. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Namen zu ändern und unterzutauchen.

Im Internet fand er eine hübsche Atelierwohnung in der Leopoldstadt mit Blick auf das Riesenrad. Die Wohnung gehörte einer Malerin. Sie wollte für ein halbes Jahr nach Frankreich und suchte jemanden, der einstweilen auf ihre Wohnung schaute. Er musste sich also nicht einmal anmelden.

Einen wunderbaren Frühling lang genoss er das luftige Atelier in der Nähe des Praters. Gerne hätte er noch eine Zeitlang weiter in den Tag hineinleben wollen. Doch eines Abends bekam er Besuch. Seine russischen Freunde hatten nicht auf ihn vergessen. Es überraschte ihn keineswegs, dass sie seine Adresse in Wien herausgefunden hatten. Beim Joggen im Prater war er einmal zufällig Natascha begegnet. Sie war in Begleitung eines anderen Mannes gewesen. Wahrscheinlich waren sie im gefolgt.

„Ihr Name ist Alexander Makiris? Sie sind der Grieche?“, vergewisserte sich der Mann in dem eleganten, gutsitzenden Anzug, der so gar nicht zu seiner Verbrechervisage passte.

Alexander zögerte, bevor er nickte. Er wusste, wann Lügen sinnlos war.

„Wir haben einen Auftrag auf Mykonos für Sie.“

Er machte sich nicht die Mühe nachzufragen, wen dieser Mann mit „wir“ meinte, wartete den Vorschlag des Mannes ab, ohne die Miene zu verziehen. Ein Job in seiner alten Heimat. Nicht weit entfernt von der Insel, auf der er geboren worden war. Er hielt das für ein besonderes Zeichen. Außerdem war es höchste Zeit abzuhauen. Wenn ihn die Russen so leicht finden konnten, würde die Interpol wohl auch bald bei ihm auftauchen. Es würde der letzte Auftrag sein, den er annahm. Danach wollte er sich endgültig zur Ruhe setzen.

Die Aufgabe schien nicht besonders schwierig zu sein. Er sollte einen österreichischen Hotelbesitzer auf Mykonos zum Verkauf überreden. Das Honorar klang verlockend und gleichzeitig verdächtig. Für einen so simplen Job zahlte normalerweise keiner fünfzigtausend Dollar. Wenn er seine Wertpapiere und Goldbarren, die er in einer Schweizer Bank deponiert hatte, verkaufte, würde er damit genügend Geld haben, um sich ein Haus auf einer einsamen Insel und ein gebrauchtes Fischerboot zuzulegen. Als Sohn eines Fischers bildete er sich ein, vom Fischfang etwas zu verstehen. Sollte es finanziell knapp werden, könnte er ja wieder seiner ursprünglichen Arbeit nachgehen. Denn zwischen der Türkei und den griechischen Inseln herrschte nach wie vor ein reger Austausch von Waren aller Art, Zigaretten und Cannabis aus dem Mittleren Osten waren auch im heutigen vereinten Europa noch gefragt.

Er stimmte zu.

Bevor der Besucher ging, übergab er ihm ein dickes Kuvert.

Alexander setzte sich auf die Couch und nahm die Fotos aus dem Umschlag. Sorgfältig prägte er sich die verschiedenen Gesichter ein und las die beigefügten Anweisungen. Tatsächlich klang alles nach einem gut organisierten, unkomplizierten Auftrag. Fotos und Zettel verbrannte er, die Asche spülte er im Klo hinunter. Die Russen waren zum Glück genauso altmodisch wie er, kommunizierten ungern per Mobiltelefon oder E-Mail. Anscheinend misstrauten sie ebenfalls den neuen Technologien. Alles war gläsern und kontrollierbar geworden. In seinem Beruf war das schlicht und einfach fatal.

Ohne einen Funken von Wehmut zu verspüren, verließ Alexander am nächsten Tag die Stadt, in der er sich sehr wohlgefühlt hatte, und flog nach Athen.

1. Teil: Piräus

Als ich ihn erblickte, wusste ich sofort, dass es Ärger geben wird. Schnellen Schrittes kam er die Treppe zum Oberdeck herauf. Ich erkannte ihn an seiner Statur und seinem Gang. Im Gegensatz zu mir hatte er sich kaum verändert, die vielen Jahre hatten wenige Spuren bei ihm hinterlassen. Wie die meisten großen Männer ging er leicht gebückt, so als würde er sich seiner Größe schämen.

Das Unglück wird seinen Lauf nehmen, dachte ich, als ich sein Gesicht aus der Nähe sah. Alles Sanfte und Weiche war aus seinen Zügen gewichen. Aber er war immer noch ein schöner Mann. Und er war auffallend gut gekleidet. Hellbeiger Leinenanzug, weißes Hemd, champagnerfarbene Sneakers. Bestimmt liefen ihm die Frauen genauso nach wie in seiner Jugend. Ob ihm das heute bewusst war? Damals hatte er nur Augen für eine gehabt. Er war kein Frauenheld, sondern ein schüchterner, introvertierter Bursche gewesen.

Ich überlegte, ob ich ihn ansprechen sollte, ließ es aber bleiben. Er würde mich nicht erkennen. Vielleicht würde er sich an meinen Vornamen erinnern? So wie alle im Dorf hatte er mich früher immer einfach Frau Christina genannt.

Als er knapp an mir vorbeiging, sah ich ihm in die Augen. Große, dunkle, traurige Augen mit langen schwarzen Wimpern, um die ihn wahrscheinlich jede Frau beneidete.

Ich erschrak. Seine Augen erinnerten mich an jene von Christos, den einzigen Mann, den ich je geliebt hatte. Aber Christos war tot. Die Faschisten hatten ihn 1969 während der Unruhen in Athen umgebracht.

 

 

Edith Kneifl zeigt ein Griechenland hinter der sonnigen Fassade!

Vor der fantastischen Kulisse der griechischen Inseln Mykonos, Ikaria und Samos bahnt sich ein verhängnisvolles Abenteuer an. Griechenland ist einerseits Urlaubsparadies und Sehnsuchtsort, andererseits geprägt von der massiven Schuldenkrise, von Verarmung und Hoffnungslosigkeit. Edith Kneifl öffnet mit „Wellengrab“ die Augen für Griechenland in allen seinen Facetten: den paradiesischen ebenso wie den abgründigen.

Alt werden ist nichts für Feiglinge! „Leichte Böden“ von David Fuchs (Leseprobe)

Ungeschminkt und liebevoll, absurd und doch so lebensnah fängt David Fuchs in „Leichte Böden“ die Essenz zwischenmenschlicher Beziehungen ein und stellt eine substanzielle Frage unserer Zeit: Wie kann man verantwortungsvoll Hilfe anbieten, ohne Menschen im Alter die Autonomie zu rauben?

Lesen Sie hier rein – eine einzigartige Geschichte erwartet Sie, alltäglich und augenöffnend, zugleich aufrüttelnd und versöhnlich.

David Fuchs, geboren 1981 in Linz, ist Autor, aber auch Arzt. Als Onkologe und Palliativmediziner arbeitet er in Linz, als Autor hat er die Leondinger Akademie für Literatur absolviert. 2018 erschien mit „Bevor wir verschwinden“ sein Debüt-Roman, der mehrfach ausgezeichnet wurde: 2016 mit dem FM4-Wortlaut für einen Auszug, 2018 stand er auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis Debüt und errang den 2. Platz des Bloggerpreises „Das Debüt“. Darüber hinaus erhielt David Fuchs 2018 den Feldkircher Lyrikpreis sowie den Alois Vogel Literaturpreis. 2020 folgte sein neuer Roman „Leichte Böden“.

Ich drehe mich um. Der Polizist ist ausgestiegen, aber ich kann ihn wegen der Scheinwerfer kaum erkennen. Er kommt auf mich zu.

„Huhu“, sagt er mit hoher Stimme. Jetzt wird er auch noch frech. „Huhu“, sage ich. Den Polizisten schüttelt es vor Lachen. „Kobi, du solltest dein Gesicht sehen“, sagt er. Sagt sie. Eine Frauenstimme. Es ist kein Polizist, es ist eine Polizistin, es ist Maria, meine Nintendo-Mary, Maria von früher. Was soll ich jetzt sagen? Ich habe keine Ahnung. „Hallo Mary“, sage ich. Sie lacht noch einmal. „Nicht lustig“, sage ich.
„Das ist eine Verwaltungsübertretung.“
„Das ist eine Frechheit.“
„Eine ziemlich lustige Verwaltungsübertretung. Bist du fertig?“
„Mit was?“
„Vergiss es, steig ein.“
Ich bin noch nie vorne in einem Polizeiauto gesessen. Ich bin überhaupt noch nie in einem Polizeiauto gesessen. „Schnall dich an, sonst kommt die Polizei.“ Maria legt den Gang ein und wir fahren los. Ich mag es nicht, wenn man sich Witze auf meine Kosten erlaubt, aber ich kann nichts sagen, immerhin holt Maria mich vom Bahnhof ab, und es wäre unhöflich, sie anzuschnauzen, auch wenn sie es verdient hätte.
Ich glaube, ich habe Maria zuletzt vor sechzehn Jahren gesehen, bei Opa Kobiceks Begräbnis, da war sie noch in Ausbildung. Und jetzt fährt sie schon alleine nachts herum und erschreckt Pinkler am Bahnhof.

Opa Kobicek war Tante Klaras Bruder. Als ich noch ein Kind war, waren wir oft zu Besuch bei ihr, weil sie ein Haus am Land hatte und nicht so eine kleine Stadtwohnung wie Opa. Ich habe damals fast jedes Wochenende und die Ferien mit Maria verbracht, aber wir haben uns aus den Augen verloren, weil mich als Teenager die viele Besuche bei Tante Klara nicht mehr interessiert haben.

„Entschuldige“, sagt Maria, „ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Holst du deine Freunde immer mit dem Polizeiauto ab?“
„Nur, wenn meine Freunde zu spät ankommen und meine Schicht schon begonnen hat.“
„Entschuldige.“
„Du hättest anrufen können.“
„Habe ich versucht, aber die Nummer war nicht mehr aktuell.“

Sie blinkt und biegt auf die Bundesstraße ab. „Warum besuchst du Klara?“
„Wegen dem Auto. Ich will den Porsche holen.“
„Das ist wirklich dein Porsche in der Garage?“
„Woher weißt du davon?“
„Ich wohne wieder neben Klara, im alten Haus. Aber wie kannst du dir einen Porsche leisten? Was arbeitest du?“
„Ich arbeite gerade nicht.“

Den Porsche habe ich mir gekauft, damals, in der Frankfurter Zeit. Ich habe ihn dann bei Tante Klara eingestellt, weil sie eine Garage hat, die sie nicht benutzt. Ich war seit Jahren nicht dort, weil ich zu viel Stress und keine Lust hatte. Tante Klara hat sich nicht beschwert.

„Wie, du arbeitest gar nicht?“
„Ich habe ein Jahr frei.“
„Aha. Und warum hast du so lange frei?“
„Einfach so, ein Sabbatical.“
„Ein was?“
„Sabbatical. Man bekommt fünf Jahre lang nur achtzig Prozent Gehalt und das fünfte Jahr ist frei.“
„Cool.“
„Na ja.“
„Und was willst du in deinem Sabbatical machen?“
„Erstmal den Porsche holen und dann irgendwo hinfahren.“
„Wohin?“
„Weiß nicht, Frankreich vielleicht oder Italien, aber ich weiß es eigentlich nicht.“
„Und was machst du, wenn du nicht gerade ein Jahr frei hast?“
„Ich bin Biologe.“
„Cool. So richtig, im Labor?“
„Ich unterrichte an einer Schule.“
Sie lacht. „Also Biolehrer?“
„Biologe.“

 

Was passiert mit uns, wenn wir alt werden?
Wie kann man verantwortungsvoll Hilfe anbieten, ohne Menschen im Alter die Autonomie zu rauben?
Wo verläuft der Grat zwischen einfühlsamer Unterstützung und überbordender, geltungssüchtiger Einmischung? 

In David Fuchs’ Roman „Leichte Böden“ werden leichtfüßig substanzielle Fragen unserer Zeit verhandelt, die uns alle im Innersten betreffen. Das Bedürfnis zu unterstützen, Selbstzweifel, die Konfrontation mit körperlichem Verfall: David Fuchs nähert sich einem emotionalen Drahtseilakt mutig ironisch, dabei stets behutsam an. In präziser Sprache und feinen Beobachtungen bringt er uns in absurden Momenten zum Lachen, in tragischen zum Innehalten, und fängt die belebende Magie einer jungen Liebe ein.

Familiengeschichte, die auch Weltgeschichte ist – Wolfgang Paterno im Interview

Lange vor der Geburt seines Enkels Wolfgang wurde Hugo Paterno umgebracht. Der Zollbeamte aus Vorarlberg und strenggläubige Katholik wurde Opfer der im Nationalsozialismus so alltäglichen wie folgenschweren und erbarmungslosen Praxis der Denunziation. In „So ich noch lebe … Meine Annäherung an den Großvater. Eine Geschichte von Mut und Denunziation“ erzählt Wolfgang Paterno vom Schicksal seines Großvaters – und von der Spurensuche in Briefen, Familienfotos, Protokollen und Prozessakten.

Wie ist es ihm dabei ergangen? Wie steht es um die Aufarbeitung ähnlicher Fälle in Wissenschaft und Gesellschaft? Und ist er seinem Großvater durch die Arbeit am Buch nähergekommen? – Zu diesen Themen stand der Autor uns Rede und Antwort.

Das Schicksal Ihres Großvaters ist ein individuelles, gleichzeitig steht es exemplarisch für die Zeit: Die Denunziation war ein Massenphänomen des Nationalsozialismus. Warum?

Der NS-Staat war auf Verleumdung, Verfolgung und Vernichtung aufgebaut. Das niederträchtige Instrument der Denunziation war das entsprechende Hilfsmittel. Zwischen 1938 und 1945 stand auch in Österreich die Verleumdung von Freunden, Vorgesetzten, Nachbarn, Familienmitgliedern und Arbeitskollegen an der Tagesordnung. Im Gegensatz zu anderen Regimen, wie etwa der DDR-Diktatur, war der NS-Staat kaum auf bezahlte Spitzel angewiesen. Insbesondere der Tatbestand der „Wehrkraftzersetzung“ wurde dazu instrumentalisiert, jede kritische Äußerung und jedweden Pessimismus zu kriminalisieren. Menschen wurden zum Tode verurteilt, weil sie beim „Fremdhören“ ausländischer Radiosender ertappt wurden. Die Bregenzerin Karoline Redler wurde verleumdet, weil sie sich einer Arztpraxis gegenüber zwei parteitreuen Patientinnen aus Lustenau vermeintlich abfällig über das Hitler-Regime geäußert hatte. Anfang November 1944 wurde sie in Wien hingerichtet.

Wie steht es um die wissenschaftliche und gesellschaftliche Aufarbeitung dieser Fälle?

Wolfgang Paterno – Enkel von Hugo Paterno und Autor von „So ich noch lebe … Meine Annäherung an den Großvater. Eine Geschichte von Mut und Denunziation“. Wolfgang Paterno ist Redakteur des Nachrichtenmagazins profil, er veröffentlichte zahlreiche Artikel sowie Bücher zu historischen und literarischen Themen.

In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein tragbarer Wissenschaftszweig zum Phänomen Denunziation entwickelt. In Österreich wird das Thema bis heute nahezu totgeschwiegen – wissenschaftlich und gesellschaftlich. Selbst der schnelle Blick in die historischen Archive des Nachbarlands offenbart umfangreiche Bibliografien zu dem Thema. Die Nachforschung „Denunziert“ der Politikwissenschaftlerin Nina Scholz und des Historikers Herbert Dohmen mit Schwerpunkt auf der Verleumdung jüdischer Personen in Wien ab März 1938 war zum Zeitpunkt ihres Erscheinens 2003 hierzulande eine der ersten Untersuchungen, die sich dezidiert mit der systematischen Verhetzung und Anzeige von Freund und Feind im „angeschlossenen“ Österreich auseinandersetzte. Seitdem ist auf dem Feld mit Ausnahme der Studie „,Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant‘“ (2007) des Grazer Historikers Heimo Halbrainer, für die 1.230 Grazer Denunziationsfälle herangezogen wurden, nicht allzu viel passiert.

Wie hat sich die Recherche zu Leben und Schicksal Ihres Großvaters dargestellt?

Früh konturierte sich folgende Faustregel bei der Recherche: Je weiter die Archive geografisch von Hugos ehemaligem Lebensmittelpunkt entfernt lagen, desto leichter fiel die Nachforschung. In Vorarlberg herrschte anfangs bockige Verweigerung, die Berliner Archive wickelten sämtliche Nachfragen so nüchtern wie empathisch ab. Am Ende waren es zahllose Telefonate, über 500 E-Mails an Bibliotheken und Archive sowie zahlreiche Recherchereisen, die den Weg – und die vielen Umwege – zum Großvater ebneten. Und immer wieder diese kleinen großen Momente: Im Posteingang trifft eine E-Mail vom Deutschen Bundesarchiv ein, die vermeldet, man habe über 100 Seiten Dokumente zum Fall Hugo Paterno gefunden. Luftsprünge jedes Mal

Blieb Ihnen bei all diesem historischen Kontext und dem vom Nationalsozialismus überschatteten Schicksal noch die Kraft, zu Ihrem Großvater durchzudringen – zum Menschen Hugo Paterno?

Am Ende bleibt der wohl beste Beweggrund für die Aufarbeitung von Geschichte. Es war reine Neugier auf ein mir völlig unbekanntes Leben, dem ich letztlich ja mein eigenes Dasein verdanke. Zu einem irgendwie gearteten Fazit fühle ich mich im Fall meines Großvaters nach wie vor außerstande. Hugo bleibt das Familiengespenst, auch wenn es inzwischen weitaus weniger herumspukt.

Wer war Hugo Paterno? Welche Menschen, welche politischen und gesellschaftlichen Mechanismen haben ihn auf dem Gewissen? Wie gehen die Hinterbliebenen mit diesem Schicksal um – die Nachkommen der Opfer, aber auch der Täter? Diesen Fragen widmet sich Wolfgang Paterno in seinem Buch, einer eindrücklichen, zutiefst persönlichen und hervorragend recherchierten Dokumentation eines menschlichen Schicksals in der Maschinerie der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz.

Hier geht’s zum Buch.